Innenhöfe auf die Dächer verlagern?
München 2050 – eine Podiumsdiskussion mit Zukunftsvisionen am Dante-Gymnasium
Wie wird unser Leben in 35 Jahren sein? Als Antwort käme vielleicht für die heutigen Schüler des Dante-Gymnasiums "verheiratet, ein Kind, ein Haus mit Garten und ein Arbeitsplatz in einer Großstadt, die nach der Arbeit ein vielfältiges Angebot an Freizeitmöglichkeiten bietet" in Frage. Doch ist dies wirklich realistisch? Werden wir nicht eher alleine, in einer kleinen Ein-Zimmer Wohnung für 2.000 Euro im Monat im achten Stock eines Hochhauses wohnen? Werden wir nicht statt des Gartens weitere Hochhäuser von unserem Fenster aus sehen, von denen man bequem die Bauarbeiten an der Frauenkirche von oben beobachten kann? Und werden Ampeln das einzige Grün in dieser Umgebung sein?
Schüler diskutieren mit Fachleuten
Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Podiumsdiskussion "München 2050", die als Projektabschluss des diesjährigen P-Seminars Geografie unter der Leitung von Anette Fröhlich in der Mensa des Dante-Gymnasiums stattfand. An der Diskussion nahmen der Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher, Klaus Illigmann vom Plan Treff (Informationsstelle zur Stadtentwicklung der Landeshauptstadt), Frau Jungwirth von der MVG, Herr Sarnighausen von den Stadtwerken München, Dr. Georg Martin, der nicht nur Sozialkundelehrer, sondern auch junger Münchner Familienvater ist, und Dr. Ulrich Eberl, der das Buch "Zukunft 2050" verfasst hat, teil. Moderiert wurde die Veranstaltung von zwei Schülerinnen der zwölften Jahrgangsstufe.
Nachhaltig bauen reicht nicht
Gleich beim ersten Thema „Wohnen“ wurde schnell das Problem der in München besonders stark steigenden Mietpreise deutlich, da diese alle anderen Faktoren wie zum Beispiel Ökologie, die beim Immobilienkauf eine Rolle spielen sollten, überdecken. Zwar gibt es bereits gesetzliche Vorgaben, dass beispielsweise pro Neubau auch 14 Quadratmeter Grünfläche entstehen müssen, und Projekte der Landeshauptstadt, beispielsweise zur sozialgerechten Bodennutzung, dennoch ist die Einflussmöglichkeit der Stadt auf die meisten entstehenden Neubauten gering, da diese auf privaten Grundstücken liegen. Deshalb hängt die Nachhaltigkeit eines Gebäudes hauptsächlich vom Bauherrn ab. Nachhaltige Neubauten allein werden allerdings laut Dr. Ulrich Eberl in Zukunft nicht ausreichen. Vielmehr müssen auch ältere Gebäude energetisch renoviert werden, wofür die Stadt München Anreize für Investitionen der Eigentümer schaffen will.
Flächen besser nutzen
Bei der Frage, wie Münchens Stadtbild sich in Zukunft verändern wird, wurde vor allem die Idee der Verdichtung genannt. Dabei wächst die Stadt weniger in die Breite oder massiv in die Höhe, sondern es werden bereits bebaute Flächen besser genutzt oder weiter bebaut. Um dabei die Lebensqualität Münchens hoch zu halten, sollen die Gebäude abwechslungsreich geplant und die Fassaden und Dächer begrünt werden. So könnte der Innenhof von Mietshäusern, der als Gemeinschaftsplatz der Freizeit und Erholung dient, anstatt zu verschwinden auf eine andere Ebene, das Dach, verlagert werden. Für die Bewohner, die München zur Erholung doch lieber verlassen wollen, ist ein Ausbau des Radwegenetzes in Planung, um den Autoverkehr zu senken.
Wie bleibt die Stadt mobil?
Somit wird es auch im Verkehr große Veränderungen geben. Es gibt verschiedene Pläne, die Umschlagbahnhöfe Hauptbahnhof und Marienplatz zu entlasten, zum Beispiel mit der von der MVG geplanten "U9-Entlastungsspange" oder mit einem dezentralen Südring und zusätzlichen Trambahnlinien. Eine weitere Idee ist, die Taktfolge der U-Bahnen auf 90 Sekunden zu erhöhen, beispielsweise mithilfe von fahrerlosen Zügen. Dies ist allerdings in München noch nicht möglich, da die Türen der Züge relativ weit voneinander entfernt sind, sodass das Ein- und Aussteigen die meiste Zeit in Anspruch nimmt.
Damit auch alte Menschen öffentliche Verkehrsmittel öfter nutzen, muss in Zukunft die Zugänglichkeit und Verfügbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs verbessert werden. Denn gerade durch autonom fahrende Elektroautos bekommen die öffentlichen Verkehrsmittel bei Senioren eine große Konkurrenz, da durch diese technische Errungenschaft Autofahren leichter und bequemer wird. Deshalb investiert die MVG auch in Car-sharing, da in Zukunft nicht mehr der Besitz eines Autos, sondern dessen Verfügbarkeit entscheidend sein wird. Gerade für Senioren, die 2050 die Mehrheit unserer Gesellschaft ausmachen werden, ist dann weniger die "Freude am Fahren" als vielmehr eine möglichst einfache hohe Mobilität von Interesse, wenn sie bis ins hohe Alter alleine wohnen möchten.
Bildung führt zu neuen Ideen
Nicht nur der Verkehr wird allein aus Platzgründen "grüner" werden müssen, sondern auch die Energieerzeugung. Um dieses Ziel möglichst bald zu erreichen, ist zum Beispiel eine Umlage der Umweltschädlichkeit der Erzeugung einer bestimmten Energieart auf den Preis denkbar. Zudem muss das Stromnetz weiter ausgebaut werden, da die Stadt München immer auf Strom aus der Umgebung angewiesen sein wird.
Wie aber lassen sich alle diese Probleme möglichst schnell und kostengünstig lösen? Vor allem durch Bildung, wie die Teilnehmer übereinstimmend meinten. Denn Bildung führt zu neuen Ideen und technischen Entwicklungen, um zukünftige Herausforderungen zu bewältigen. Außerdem ist Bildung ein Schritt zu einem qualifizierten Beruf, um den Generationenvertrag aufrecht erhalten zu können. Doch zu allererst schafft Bildung Verständnis, aus dem der Wille für Veränderungen erwächst. Denn ohne Eigeninitiative der Bürger kann keine Regierung und keine Firma etwas ändern. Wie wird München 2050 also aussehen? Es liegt in unserer Hand.
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