Wer ist eigentlich dieser Lenz?
Redaktionspraktikantin Sümeyye Ugur entdeckt Unerwartetes
Hohe Papierberge stapeln sich auf meinem Schreibtisch. Es ist nicht einfach, im Irrgarten des Bologna-Systems den Überblick zu behalten. Eine Abwechslung muss her. Je komprimierter das Studium gehalten wird, umso wichtiger sind erste Erfahrungen in Betrieben für uns Studenten. Nicht ohne Grund nennt man uns "Generation Praktikum". Im Fangnetz des studentischen Eremitenlebens war es wieder höchste Zeit, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. "Neues Jahr neues Glück!" hieß es aus jeder Ecke und so ergriff auch ich zu Neujahr die Möglichkeit, neue Erfahrung zu sammeln.
Digitales Redaktionssystem
Im Januar begann mein dreimonatiges Praktikum in der Redaktion der Münchner Wochenanzeiger. Anfänglich auf wackeligen Beinen, lernte ich mit Hilfe der Kollegen Schritt für Schritt die Arbeitsabläufe eines Anzeigenblatts kennen. Dabei war mir besonders das digitale Redaktionssystem neu, mit dem jeder Redakteur täglich arbeitet. Das spart Zeit und schafft untereinander eine offene Plattform für neue Ideen.
Ortskunde
Karlsfeld, Forstenried, Solln, Aubing, Trudering, Würmtal - nicht selten musste ich einen unauffälligen Blick auf den Stadtplan werfen, um die Artikel den richtigen Ausgaben zuzuordnen. Als gebürtige Ostwestfälin waren meine Kenntnisse über München und das Umland auf Schwabing und Milbertshofen begrenzt.
Boarisch
Ähnlich sah es auch mit meinen Kenntnissen über die bayerische Sprache aus. Als vegetarische Weißwurstbanausin lernte ich aber zur Bereichung meiner Sprachkenntnisse schöne Wörter wie "ruaschad" kennen. Auch dachte ich bisher immer, dass Viktoria jahrelang auf den Mann ihres Lebens - eben auf Lenz - gewartet hätte. Dass "Lenz" der Frühling sein könnte, war mir nie in den Sinn gekommen.
Pressetermine
Besonders interessant waren zudem die Pressetermine, zu denen ich zu Anfang noch in Begleitung der Kollegen gegangen bin und später alleine. Ganz genaues Hinhören, Nachfragen stellen, Namen und Berufsbezeichnungen richtig notieren, Fotos schießen und anschließend den passenden Artikel verfassen – das waren meine Aufgaben. Das mit den Fotos muss ich allerdings noch üben.
Organisation
Schritt für Schritt wird dann die Zeitung zusammengesetzt. An diesem Prozess sind erstaunlich viele Menschen beteiligt. Während wir in der Redaktion schreiben, sind dutzende Mitarbeiter mit der Anzeigenschaltung, der Verwaltung oder dem Layout und der Grafik der Zeitungen beschäftigt. Dabei wird im Minutentakt Kontakt untereinander gehalten – gerade an Produktionstagen. Sind die Fotos an der richtigen Stelle? Passen die Überschriften? Wo muss die neue Anzeige hin und was kommt diese Woche auf die Titelseite? Viele kleine Schritte, die akkurater Organisation bedürfen.
Arbeitsklima
Als eingefleischte Studentin habe ich schon einige Redaktionspraktika hinter mir. Von Lokalzeitung zur Fachzeitschrift hin zu Onlinezeitungen - am Ende entscheidet neben dem Ehrfahrungsgewinn immer das Arbeitsklima, ob es mir gefallen hat oder nicht.
Im raschen redaktionellen Arbeitsbetrieb werden Praktikanten entweder schnell vergessen, gehen unter, müssen viel Eigeninitiative zeigen oder sie werden überschüttet mit Arbeit, sitzen sieben Tage die Woche bis 22 Uhr in der Redaktion und sind völlig überfordert mit ihren Aufgaben. Eine gute Mitte zu finden fällt vielen Redaktionen nicht einfach, da Zeitdruck zum alltäglichen Geschäft gehört.
Bei den Münchner Wochenanzeigern ist man hingegen als Redaktionspraktikant gut aufgehoben. Durch den eigenen Arbeitsplatz (!) in der Reaktion ist man nah am Geschehen, kann jederzeit Fragen stellen und es wird weder gemurrt noch gequält. Eine respektvolle und höfliche Grundhaltung gehört hier zum kollegialen Ton. Und wenn das Arbeitsklima stimmt, macht alles doppelt Spaß.
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