„An den Bürgern vorbei“
Massive Kritik an den Plänen zum Kirschgelände
Im 23. Stadtbezirk sei eine weitere massive Erhöhung der Bevölkerungsdichte geplant, erklärte Rainer Friedl auf der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses Allach-Untermenzing (BA 9) und bezog sich damit auf das Kirschgelände, für das die Stadt den Eckdatenbeschluss vorbereitet, und auf dem bis zu 1.200 Wohnungen, fünf Kindertagesstätten mit jeweils drei Krippen- und Kindergarten-Gruppen sowie eine dreizügige Grundschule mit einer Sporthalle entstehen sollen. „In den vergangenen Jahren wurde im gesamten Stadtteil extrem nachverdichtet, Gärten und Bäume sind verschwunden, Grundstücke zugebaut“, betonte der Bürger.
An der Verkehrserschließung und -situation habe sich bis heute nichts verbessert: die Straßen seien zugeparkt und „die Verkehrswege werden für alle Verkehrsteilnehmer immer mehr zur Belastung und zur Gefahr“. Aktuell würden auf dem Diamaltgelände 750 Wohnungen für 2.000 bis 3.000 Menschen geplant. „Die Auswirkungen sind hier heute noch gar nicht absehbar und spürbar“, so Rainer Friedl weiter.
Im Kirschgelände, das aktuell als Gewerbe- und Mischgebiet genutzt wird, solle jetzt Platz für weitere 5.000 Menschen geschaffen werden. „Das gesamte Gewerbe, auch die vielen Kleinunternehmer und Handwerksbetriebe, sollen aus dem Kirschgelände verdrängt werden – zugunsten des lukrativen Wohnungsbaus. Die Münchner Mischung, die eine Vernetzung von Wohnen und Arbeiten berücksichtigt und München so lebenswert macht, wird hier nicht berücksichtigt“, so Rainer Friedl. „Die lokalen Arbeitsplätze und Handwerksbetriebe vor Ort gehen verloren.“
„Im Schweinsgalopp“
Und auf einmal gehe es gar nicht schnell genug, kritisierte er. Am Oertelplatz habe man 30 Jahre gebraucht das heutige Einkaufszentrum zu bauen. Die anstehende massive Umgestaltung des zirka zwölf Hektar großen Kirschgeländes werde bei den Bewohnern im Stadtteil noch nicht mal wirklich thematisiert, sondern soll „im Oktober im Schweinsgalopp durch den Stadtrat beschlossen werden, um – an den Bürgern vorbei – Tatsachen zu schaffen.“ Erst dann, so Rainer Friedl, sei vorgesehen, diese Tatsachen mit den Bürgern zu diskutieren.
„Transparenz muss sein“
Das wollte man so im BA 23 nicht stehen lassen. „Natürlich finden zum Kirschgelände öffentliche Informationsveranstaltungen für die Bürger statt“, erklärte Heike Kainz, Vorsitzende des BA Gremiums. „Der Aufstellungsbeschluss wird im Oktober im Stadtrat behandelt. Im Juli wurden uns die Pläne in einer öffentlichen Sitzung vorgestellt.“ Natürlich werde man sich mit dem Ganzen weiter auseinandersetzen und die Bürgermeinungen miteinbeziehen. „Transparenz muss sein“, sagte die CSU-Stadträtin. „Das ist bei uns seit Jahren schon gute Übung.“
Schwerlastverkehr
Das Gewerbegebiet an dieser Stelle sei städtebaulich alles andere als schön. „Ringsherum sind nur Wohngebiete“, so die BA-Chefin. „Wir haben im Kirschgelände eher Großgewerbe mit massivem Schwerlastverkehr, der enorme Probleme bereitet. Wenn wir diesen Verkehr aus dem Viertel rausbekommen, ist das ein Segen.“ Zudem sei der Bebauungsplan für Gewerbe auf dem Kirschgelände nach Angaben der CSU-Stadträtin aktuell noch nicht mal zur Hälfte ausgeschöpft. Kleinstgewerbe könne sich zum Beispiel auf dem Junkers- beziehungsweise Hoch-Tief-Gelände ansiedeln.
„Ein Wohngebiet ist das geringere Übel“
Das sah Falk Lamkewitz ähnlich: „Das Kirschgelände ist heruntergekommen. Und wenn es platt gemacht und ein neues Gewerbegebiet entstehen würde, würde die gesamte Fläche ausgenutzt werden. Von daher ist es für unseren Stadtteil das geringere Übel, wenn dort ein Wohngebiet entsteht“, erklärte der Grünen-Fraktionssprecher. Zudem gebe es grundsätzlich zu wenig Wohnraum, „weshalb uns in München die Mieten davonlaufen. Es ist daher sinnvoll, das Wohnangebot weiter zu erhöhen.“ Man habe sich von Seiten des BA natürlich Gedanken und auch Anmerkungen zu den Planungen gemacht. „Wir können natürlich unsere Straßenflächen nicht vergrößern, sondern müssen versuchen, den Verkehr irgendwie erträglich zu machen. Die Zeiten, in denen wir alles in die Fläche bauen können, sind vorbei. Es muss in die Höhe gehen“, sagte Falk Lamkewitz.
„Unser Stadtviertel wird urbaner“
Auch von Seiten der SPD begrüße man es, wenn bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde, betonte Fraktionssprecher Pascal Fuckerieder. „Natürlich wird nicht jede Wohnung im Kirschgelände öffentlich gefördert, aber doch ein gewisser Teil. Unser Stadtviertel wird urbaner. Ein doppelt so großes und dichter besiedeltes Gewerbegebiet will ich mir an dieser Stelle überhaupt nicht vorstellen.“
Die Entwicklung des Kirschgeländes entstehe nicht über Nacht, sagte Heike Kainz. „Wir reden hier von einem Bebauungsplan, der uns sicherlich noch die nächsten zehn Jahre beschäftigen wird. In dieser Zeit wird es viele Beteiligungen der Öffentlichkeit geben. Wir suchen den Austausch mit der Bevölkerung und betrieben ihn auch massiv. Dieses Thema wird noch viele Menschen eine lange Zeit beschäftigen“, so die BA-Chefin weiter. „Wir wollen, dass am Ende des Tages etwas Gutes für das Stadtviertel herauskommt.“
„Keiner macht sich Gedanken über den Verkehr“
Einzig Victor Agerer (CSU) teilte die Ansicht von Rainer Friedl. „Wir reden hier über ein großes Baufeld und keiner macht sich Gedanken über den Verkehr. Wie soll der bewältigt werden?“ Es gebe noch keine Planung, entgegnete Heike Kainz. „Sie wird ja gerade erst begonnen. Und natürlich wird die verkehrliche Erschließung des Gebietes Teil der Planung sein.“ Fritz Schneller (SPD) betonte in diesem Zusammenhang, dass der Nahverkehr in Zukunft attraktiver werden müsse, „damit die Leute ihr Auto nicht benutzen“.
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