Auf dem Prüfstand
Georg Freundorfer wird auf Nazihintergrund untersucht
In München gibt es viele Zeugnisse davon, dass hier einmal Nazis lebten und wirkten. In welcher Weise Georg Freundorfer, der Namensgeber für den zentralen Platz im Viertel, als Nazi gelten muss, wird derzeit überprüft. Dr. Andreas Heusler vom Münchner Stadtarchiv kam auf Einladung des BA Schwanthalerhöhe jüngst zur öffentlichen Gremiumssitzung, um über den Sachstand der Prüfung zu informieren: „Dies ist der erste BA, in dem ich zu dieser Thematik spreche“, meinte Heusler. Wohl aber nicht der letzte. Denn es gebe eine Reihe von belasteten Straßennamen, die auf dem Prüfstand stehen. Nahezu 6.200 Straßennamen habe man in den letzten Jahren bereits untersucht.
Der Georg-Freundorfer-Platz steht nun als einer von 330 Namen auf der „Long-List“. Hier sind Namen verzeichnet, die „zwingend eine Kontextualisierung oder einen Kommentierungsbedarf haben. „Georg Freundorfer schauen wir uns genau an“, so Heusler. Wie aber will man mit der eigenen Geschichte und auch deren dunklen Episoden umgehen? – Dies wird noch zu diskutieren sein.
Namen löschen?
Mit möglichen Gedenkorten im Stadtviertel hatte sich der BA Schwanthalerhöhe vor fünf Jahren befasst und kam im Zuge dessen darauf, dass der Namensgeber des Georg-Freundorfer-Platzes auf seine Nazi-Vergangenheit hin überprüft werden müsse. Historiker Dr. Martin Rühlemann, der sich ehrenamtlich für das Stadtteilarchiv des Kulturladens Westend engagiert, hatte herausgefunden, dass Freundorfer bereits 1932 (noch vor Hitlers Machtergreifung) als Unterhaltungskünstler bei „Bunten Abenden“ der NSDAP als Mitglied des „Freundorfer Trios“ auftrat. Der Musiker, Komponist und Zitherspieler wurde 1881 in der Westendstraße 20 geboren. 1912 zog er nach Berlin, wo er als Unterhaltungskünstler auftrat. 1935 komponierte er den Marsch „Gruß an den Obersalzberg“, der nach 1945 nicht mehr unter diesem Titel veröffentlicht werden durfte. Im Dezember 1940 starb Freundorfer in Berlin. Nach aktuellem Stand der Recherche sei der Unterhaltungskünstler zwar kein NSDAP-Mitglied gewesen, müsse aber zumindest als Sympathisant gelten.
1983 wurde der neu gestaltete Platz im Zentrum des Westends nach Freundorfer benannt. „Damals hat die Verwaltung wohl nicht genau hingeschaut“, meinte Dr. Heusler auf Rückfrage eines Bürgers, wieso der Name überhaupt vergeben wurde. Sollte man nun, mit jetzigem Wissensstand, den Namen aus dem Straßenverzeichnis Münchens löschen?
„Nicht alles zum Verschwinden bringen“
Einiges scheint dafür zu sprechen. „Anders als bei anderen Straßen und Plätzen sind am Georg-Freundorfer-Platz keine Hausnummern, das heißt, es wären keine Anwohner von der Adressänderung betroffen“, argumentiert etwa Daniel Günthör (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses Kultur im BA 8. Und auch Dominik Lehmann (Linke) findet: „Warum kann man den Platz nicht umbenennen, wenn die Bürger das wollen?“
Andreas Heusler aber weist darauf hin, dass eine Straßen- bzw. Platzumbenennung einer historischen und kulturellen Intervention gleichkäme. „Jede Umbenennung heißt auch, dass wir damit Geschichte auslöschen.“ Statt Geschichte aus dem kulturellen Gedächtnis zu eliminieren, sollte man sie ins Bewusstsein bringen. „Immer wieder diskutieren, kritisch hinterfragen“, meint Heusler. „Nicht alles zum Verschwinden bringen.“
Erste Ergebnisse in einem Jahr
Ein Fachgremium aus zwanzig Personen, zu denen unter anderem Vertreter des Jüdischen Museums, der Frauengleichstellungsstelle oder des Geodatenservice gehören, beschäftigen sich nun mit den gelisteten Namen. Zuerst ist die „Short-List“ dran, die 40 Namen verzeichnet, die diskussionswürdig sind, danach die „Long-List“. Die Experten erarbeiten einen Kriterienkatalog, der fortan als verbindliche Richtschnur zur Beurteilung der Namen gelten könnte. Seine Empfehlung wird das Gremium voraussichtlich Ende nächsten Jahres dem Stadtrat vorlegen.
Der BA 8 wünscht sich, dass für den Georg-Freundorfer-Platz so rasch als möglich ein Umgang gefunden wird und regte nun an, ein Zusatzschild mit Erläuterungen zum Lebenslauf Freundorfers ans Straßenschild anzubringen.
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