Münchner Wochenanzeiger - Hier werden Sie gelesen
2 x pro Woche mit ca. 2 Millionen Zeitungen
Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Fernsteuern statt Sprengen
Sendling verliert seine "Spitze"
Der mit 176 m höchste Kamin am Heizkraftwerk Süd ist bald Geschichte: Ein acht Tonnen schweres ferngesteuertes Abbruchgerät, das oben auf dem Kamin angebracht ist, bricht das Bauwerk aus dem Jahr 1970 Stück für Stück ab. „Der Kamin stammt noch aus der alten Kraftwerkswelt. Sein Verschwinden macht den Wandel des SWM Energiestandorts Süd jetzt auch nach außen deutlich", erklärt Helge-Uve Braun von den Stadtwerken (SWM), "unsere Fachleute arbeiten hier an der Umstellung von der alten auf die erneuerbare Energiewelt.“
Innen wurde schon "leergeräumt"
Der Abbruch der Stahlbetonhülle ist der letzte von mehreren Schritten des Kamin-Rückbaus – die bisherigen Arbeiten waren jedoch von außen wenig sichtbar. In Zentimeterarbeit entfernten die Baufirmen über viele Monate hinweg vier riesige Stahlröhren im Inneren. Diese wurden Abschnitt für Abschnitt abgetrennt, innen abgelassen und zur Entsorgung auf Lkws verladen. Ein Sprengen – die klassische Methode des Kaminabbruchs – war an diesem eng bebauten Standort zwischen Brudermühl- und Schäftlarnstraße, Großmarkthalle und Isarkanal nicht möglich. Die Energieerzeugung im Kraftwerk läuft zudem trotz Um- und Rückbaus weiter.
Monatelang von oben nach unten
Im Kamininneren wurden in diesem Frühjahr nach dem Ausbau der Röhren und dem finalen OK der Statik-Sachverständigen noch zwei massive Zwischendecken auf 55 und 161 Meter Höhe ausgebrochen, die zur Aufhängung der Stahlröhren gedient hatten. Im Anschluss wurden Stahlträger, die zur Sicherung des Abbruchbaggers dienen, auf den Kaminkopf transportiert. Danach konnte das Abbruchgerät im Inneren per Seilzug hochgezogen werden. Das ferngesteuerte Abbruchgerät arbeitet sich in den kommenden Monaten langsam von oben nach unten. Die Arbeiten sind zudem wetterabhängig, bei starkem Unwetter oder Wind müssen sie aus Sicherheitsgründen unterbrochen werden. Der Schutt fällt im Kamininneren auf ein riesiges dämpfendes Bett. Es besteht aus mehreren Lagen Altreifen, die mit Stahlplatten abgedeckt sind. Obenauf liegt ein Schuttpolster. So werden Erschütterungen im laufenden Kraftwerk sowie Lärm- und Staubbelastung fürs Umfeld vermieden.
Zwei bleiben, einer kommt dazu
50 Jahre lang ragte der Kamin in 176 Meter Höhe über Sendling. Er steht auf dem Dach des 28 Meter hohen Maschinenhauses und stammt aus der Zeit, als im Heizkraftwerk Süd mittels Müllverbrennung Energie erzeugt wurde. Nachdem 1997 die Müllverbrennungsanlage, 2004 die Hochdruckanlage und 2018 auch das Spitzenheizwerk außer Betrieb genommen wurde, war der Kamin nicht mehr notwendig. Aufgrund seines Zustands und seiner Lage konnte er weder weiterbetrieben noch anderweitig genutzt werden. Die übrigen Kamine (zwei mit 90 Meter, zwei mit 130 Meter Höhe) bleiben, sie gehören zu den bestehenden Gas- und Dampfturbinenanlagen (GuD). Für die neu zu errichtende GuD 1 wird ein weiterer niedrigerer Kamin gebaut.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH