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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Erholungskur für die "Zirkuswiese"
Bezirksausschuss möchte kommerziellen Veranstaltungen einen Riegel vorschieben
Der Transport mit Lkw, schwere Gerätschaften und nicht zuletzt auch Tiere - das alles hat auf der so genannten "Zirkuswiese" im Westpark unweit des Mollsees Spuren hinterlassen. Tiefe Spuren. Weil die Wiese inzwischen eher einem Acker gleicht, hat sich der Bezirksausschuss Sendling-Westpark (BA 7) dafür ausgesprochen, dass auf der Liege- und Spielwiese im Ostteil des Parks zukünftig Zirkusveranstaltungen nicht mehr genehmigt werden sollen. Die durch die Zirkusse verursachten Schäden und die daher nötige Erholungsphase für die Pflanzen erlaubten nicht die Nutzung der Liege- und Spielwiese im ursprünglichen Sinne, heißt es in einem Schreiben an das Baureferat.
Eine Ausnahme soll es in diesem Jahr noch für zwei Veranstalter geben: den von einem gemeinnützigen Verein getragenen "Circus Leopoldini" und die "Zirkuslust" der Aktion "Spielen in der Stadt e.V.". "Diese beiden Veranstalter überzeugen durch ihr pädagogisch und soziales wertvolles Konzept", so BA-Vorsitzender Günter Keller. In Zukunft sollen alle Veranstalter auf ein benachbartes, wesentliches kleineres, aber befestigtes Grundstück verwiesen werden.
"Das ist ein Acker"
"Wir hatten im Herbst 2015 einen Berliner Zirkus auf der Wiese, im vergangenen Jahr folgten weitere kommerzielle Veranstaltungen, die aus der Wiese einen Acker gemacht haben", so Dieter Meyer, Vorsitzender des Unterausschusses Parks und Grünanlagen. Schlechtes Wetter habe ein Übriges getan. Gleichzeitig betont er: "Schuld an dem Desaster sind weder die ,Zirkuslust' noch ,Circus Leopoldini'. Nach diesen beiden Veranstaltungen ist nur das Gras etwas gelblich. Aber das erholt sich wieder." Meyer lobt die wichtige Arbeit der beiden Projekte. "Die leisten hier eine unglaublich wichtige Ehrenamtsarbeit. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen."
Alfred Nagel verweist zudem auf die Grünanlagensatzung, in der geregelt sei, dass Park und Grünanlagen für für Erholungs- und Freizeitzwecke einschließlich spielerischer und sportlicher Aktivitäten dienen. Die Wiese werde fälschlicherweise als "Zirkuswiese" bezeichnet.
"Ein einziger großer Ehrenamtshaufen"
Dorothea Auer vom "Circus Leopoldini" hofft, dass ihr Projekt auch über dieses Jahr hinaus die Zirkuswiese nutzen darf. Eine Alternative zu finden sei schwierig. "Das zerlegt uns sonst das ganze Projekt und das befestigte Areal ist zu klein", sagt sie. Seit 2004 gibt es den "Circus Leopoldini", der als Zirkusprojekt im Rahmen der Waldorf-Schule gegründet wurde, seit 2014 ist er als gemeinnütziger Verein eingetragen. "Ich kenne jeden meiner rund 130 Schüler", sagt Auer. "Sie leben praktisch eine Woche im Sommer auf diesem Platz. Sie trainieren dort, kochen dort. Das ist ein einziger großer Ehrenamtshaufen." Offen sei das Projekt für alle Kinder, nicht nur für Waldorfschüler.
Und auch Anna Bauregger von "Zirkuslust" betont, wie wichtig das Areal ist. Es sei eines der größten Projekte von "Spielen in der Stadt e.V.". Im vergangenen Jahr hätten an sieben Tagen rund 8.000 Kinder von dem Angebot profitiert. "Es ist ein soziales Projekt, kostenlos und kommerziell, ohne Anmeldung, also sehr niederschwellig und bietet einen Zugang zur kultureller Bildung für alle Familien, quer durch alle Schichten und sprachlichen Hintergründe", so Anna Bauregger. Die Besucherzahlen klängen nach hoher Belastung für die Wiese, da das Projekt aber ohne Anmeldung sei, reguliere sich die Belastung von selbst. Bei Regen kämen ohnehin sehr wenig Besucher. Zudem werde das Gelände zum Aufbau nur sehr wenig mit Fahrzeugen befahren. "Wir stellen unser Zelt per Hand auf." Zudem verweist sie auf die im Projekt enthaltenen 65 Ferienplätze, die der Stadtrat extra in den vergangenen Jahren geschaffen habe.
Ihre Argumente für den Verbleib auf der Zirkuswiese trugen sowohl Dorothea Auer als auch Anna Bauregger in der BA-Sitzung vor und baten gleichzeitig darum, die beiden Projekte von der Sperre auszunehmen.
"Vertrauensvolle Zusammenarbeit"
Dieter Meyer ist guter Dinge, dass in Zusammenarbeit mit dem Gartenbauamt sowohl die "Zirkuslust" als auch der "Circus Leopoldini" weiterhin auf der Wiese gastieren dürfen. Zunächst in den Pfingstferien, dann im Juli seien heuer die Veranstalter vor Ort. "Dann hat die Wiese ein Jahr Zeit, sich wieder zu erholen", so Meyer. Man stehe in engem Kontakt mit dem Gartenbauamt. Das unterstreicht auch Anna Bauregger: "Wir haben uns in den vergangenen Jahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der zuständigen Gartenbauabteilung erarbeitet. Sie sind mit unserer Veranstaltung sehr zufrieden."
Kreuz unter der Erde
Der Westpark wurde für die Internationale Gartenbauausstellung (IGA) 1983 angelegt. Von Alfred Nagel kommt in diesem Zusammenhang ein historischer Hinweis: "Zu Zeiten der IGA war auf dieser Wiese ein riesiges, liegendes Holzkreuz (Erdkreuz) zu sehen. Dieses mächtige Kunstwerk ist nach der IGA zugeschüttet worden und ruht so unter der Wiese für die Nachwelt. Niemals, auch nicht zur IGA-Zeit, war diese Wiese für Veranstaltungen vorgesehen."
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