"Alle diese Mütter lieben ihre Kinder"
Der Sozialdienst katholischer Frauen unterstützt Alleinerziehende mit psychischen Erkrankungen
Einkäufe und Behördengänge erledigen, Ausflüge mit den Kindern machen, kurz: ein eigenständiges Leben führen. Das ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit. Wenn jedoch eine psychische Erkrankung den Alltag beherrscht, sind alle diese Dinge oftmals sehr schwer zu meistern. Doch die Betroffenen sind nicht alleine. Sie können sich Hilfe holen, etwa beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), der mit zwei wichtigen Angeboten psychisch erkrankte, alleinerziehende Mütter unterstützt.
Das Haus Lucia des SkF liegt mitten in Sendling. Der Harras ist nicht weit weg, die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel ist optimal. Elisabeth Siegl steigt die Treppen nach oben bis unters Dach. Es geht über Fischgrätparkett in eine hübsche Wohnung, die demnächst wieder bezogen wird. Elisabeth Siegl leitet das Haus Lucia mit seinen beiden Angeboten, dem Betreuten Einzelwohnen (BEW) und dem Sozialpädagogisch Betreuten Einzelwohnen (SBW), das sich an Mütter ab dem 18. Lebensjahr richtet.
Aber wo genau liegt der Unterschied dieser beiden Betreuungsformen? Bei Lucia BEW werden die Mütter nach einem stationären Aufenthalt in ihren eigenen Wohnungen betreut, mit dem Ziel, ihre eigenständige Lebensführung zu erhalten und ein soziales Netzwerk für Mutter und Kind aufzubauen, damit ein selbstständiges Leben gelingt. Rund sechs Stunden pro Woche erfahren die Mütter und ihre Kinder Unterstützung.
Lucia SBW ist eine ambulante Nachbetreuung für Mütter mit Kindern bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr. Sie werden mit rund 15 Wochenstunden intensiv betreut und wohnen in Wohnungen, die vom SkF bereitgestellt werden. Die Frauen sollen in eine eigenständige Lebensführung begleitet werden.
"Man kann das durchbrechen"
"Wir betreuen hier Frauen mit allen psychiatrischen Erkrankungsbildern, etwa posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen", sagt Elisabeth Siegl. Viele Frauen litten unter den Folgen traumatischer Ereignisse in der Kindheit oder im Erwachsenenalter, manche hätten in gewaltbelasteten Beziehungen gelebt oder bereits früh Gewalt oder Missbrauch erfahren. Diese Traumata, so Siegl, gingen oft mit Symptomen wie Angst, Antriebslosigkeit und Hilflosigkeit einher. "Oft wollen die Kinder Verantwortung für ihre Mütter übernehmen. Sie denken, sie sind schuld daran, dass es der Mama nicht gut geht", erklärt die Einrichtungsleiterin. Ein Kreislauf so scheint es. Entkommen unmöglich? Elisabeth Siegl schüttelt entschieden den Kopf. "Man kann das durchbrechen", sagt sie. "Wir haben normalerweise jeden Monat ein Gruppenangebot für die Mütter und parallel dazu eine Gruppe für die Kinder." Bei den Müttern gehe es darum, die eigene Erkrankung zu erkennen und einen guten Umgang damit zu erarbeiten. Im Fokus stehe dabei, zu begreifen, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf die Kinder habe. "Wir helfen den Müttern, Fähigkeiten zu entwickeln, damit umzugehen." In zwei Gruppen werden die Kinder parallel dazu betreut, einmal die Kleinen bis sechs Jahre, in einer weiteren Gruppe die älteren Kinder. Malen, basteln, gemeinsam essen – all das steht hier auf den Programm. Darüber hinaus sei es wichtig, die Kinder in ihren Talenten zu stärken, sei es in einer musikalischen, sportlichen oder anderen Begabung.
"Sehen Klientinnen im Freien"
Wegen der Corona-Pandemie mussten diese Angebote ausgesetzt werden. "Doch sobald es möglich ist, werden wir sie wieder aufnehmen", betont die Leiterin. Trotzdem sei die Betreuung nicht vollends aufgehoben. "Wir sehen unsere Klientinnen viel im Freien. Das Wetter spielt ja zum Glück mit. Außerdem haben wir einen großen Besprechungsraum, in dem der nötige Abstand gewährleistet ist. Die Gespräche finden natürlich mit Masken statt."
Wichtig ist Elisabeth Siegl vor allem eine Sache: "Alle Mütter, die hier sind, lieben ihre Kinder und sie haben sich dafür entschieden, hier zu sein." Sie sei zudem froh, dass das Thema heute nicht mehr so sehr mit einem Tabu behaftet sei und Mütter und Kinder die Chance hätten, zusammenzubleiben. "Früher durften die Frauen ihre Kinder nicht behalten", fügt sie an.
Es gebe immer wieder Anfragen für einen Platz beim SBW. Und: "Manchmal muss es schnell gehen", sagt Elisabeth Siegl. "In einem Informationsgespräch erklären wir der Bewerberin unser Angebot. Im Idealfall liegt schon ein Arztbericht vor." Auch ein Lebenslauf müsse vorhanden sein. "Dann kann sich die Frau entscheiden, ob sie das möchte und sie wird zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen." Sobald die Kostenübernahme geklärt sei, könne die Frau mit ihrem Kind oder Kindern zeitnah aufgenommen werden.
Apropos Kostenübernahme: Während Lucia BEW vom Bezirk Oberbayern und dem Jugendamt finanziert wird, wird Lucia SBW vom Jugendamt übernommen.
Wohnungen gesucht, Paten willkommen
Gerne möchte der SkF noch weitere Mütter unterstützen. Aus diesem Grund ist er dringend auf der Suche nach geeigneten Wohnungen. Diese sollten, so Elisabeth Siegl, zwei Zimmer haben und gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden sein. "Der SkF ist der Mieter", betont die Leiterin. Zudem freue man sich auch über Unterstützung insbesondere in den Kindergruppen sowie in den Patenschaftsprojekten des SkF. Hier gibt es zum einen die Kinderpatenschaft, bei der ein Pate das Kind psychisch erkrankter Eltern unterstützt, und zum anderen die Familienpatenschaft, bei der Familien mit Kindern unterstützt werden. "Wir haben bei uns Frauen, die mit Paten arbeiten", sagt Elisabeth Siegl. "Das ist immer auch ein Gewinn für das Kind."
Weitere Infos gibt es unter www.skf-muenchen.de oder im Haus Lucia BEW/SBW unter Telefon (089) 72 98 92 33-50 sowie per Mail an lucia-bew@skf-muenchen.de.
"Wir haben uns alle sehr ins Herz geschlossen"
Das Ehrenamt spielt im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) traditionell eine große Rolle. Besonders wichtig sind die Ehrenamtlichen, die sich regelmäßig und verbindlich für eine längere Zeit engagieren, wie beispielsweise die Familienpaten. Bis zum Frühjahr 2018 hat Cornelia Chlistalla bei der Telekom gearbeitet. Dann hat sie sich für den sogenannten "engagierten Ruhestand" entschieden. Das Programm von Telekom, Postbank und Post bietet bis 2020 eine Rente ohne Abschläge, verpflichtet aber zu einem ehrenamtlichen Engagement oder einem Bundesfreiwilligendienst. Cornelia Chlistalla hat sich für die 1.000 Stunden ehrenamtliches Engagement entschieden – und damit auch für eine irakische Familie mit drei Kindern. Diese hat sie im Rahmen einer Familienpatenschaft im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) betreut. Sie berichtet:
Wir trafen uns bei der Familie, die eine Tochter mit vier Jahren hatte und Zwillinge mit zwei Jahren. Die Mutter ist erst 22 Jahre jung gewesen und war ganz schön gefordert. Ich besuchte die Familie jede Woche für etwa vier Stunden. Ich brachte die Große in den Kindergarten und habe mich dann um die Jungs gekümmert, damit die Mutter Behördengänge erledigen oder in Ruhe einkaufen konnte. Ich war nach kurzer Zeit voll als "Oma" in die Familie integriert, habe der Mutter Tipps gegeben und wir haben auch immer wieder mit den Kindern Ausflüge gemacht, die sonst nie möglich gewesen wären. Ich habe "meine" Familie auch zur Tafel gebracht, in den Kinderkramladen und auch immer wieder geschaut, was man noch bekommen kann. Auch beim Ausfüllen von Formularen habe ich oft geholfen. Für mich persönlich hat es viel gebracht, da ich bereits drei erwachsene Kinder habe und ganz gelassen mit den Kleinen umgehen konnte. Die Mutter hat mir auch sehr viel von ihrem Land und ihren Bräuchen erzählt, was für mich sehr interessant war. Seit dem Herbst gehen auch die Jungs in den Kindergarten und wir treffen uns nicht mehr so regelmäßig, aber wir werden auch weiterhin Kontakt haben, da wir uns alle sehr ins Herz geschlossen haben. Eine Patenschaft würde ich immer wieder empfehlen, da man nicht nur seine Zeit und Aufmerksamkeit gibt, sondern auch sehr viel zurück bekommt, und es einfach schön ist, wenn man Familien helfen kann. Die Unterstützung und die Wertschätzung, die man von den Ansprechpartnerinnen beim SkF bekommt, ist natürlich auch sehr wertvoll und gibt Sicherheit beim Ausführen der Patenschaft.
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