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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Schlaglicht aufs Zeitgeschehen
Sollen Straßen umbenannt werden?
„Straßennamen sind das größte begehbare Denkmal im öffentlichen Raum", erklärte Andreas Heusler, Historiker und ehemaliger Stadtarchivar des Münchner Stadtarchivs vorm Bezirksausschuss 21 (BA). „Straßennamen geben immer das Zeitgeschehen wieder und sind ganz klar identitätsstiftend, und zwar für die Anwohner und für das ganze Viertel. Sie geben Wertschätzung und schaffen Werterhaltung in einem.“
Hintergrund seines Vortrags im BA sind die jüngsten Diskussionen im Stadtrat über Straßennamen, „deren Namensgeber als historisch belastet gelten. Das sind Straßen, die kritisch zu bewerten sind“, erklärte er weiter. Immerhin 45 Straßennamen (unter anderem geht es um Agnes Miegel, Hermann Proebst, Waldemar Bonsels und Herbert Quandt) im ganzen Stadtbereich und immerhin sechs Straßennamen in Pasing-Obermenzing (darunter Alois Wunder, Ludwig Thoma, Elly Ney oder Martin Heidegger) fallen unter „erhöhten Diskussionsbedarf“.
Mit erhöhtem Diskussionsbedarf
„Erhöhter Diskussionsbedarf heißt in diesen Fällen: es reicht nicht aus, ein Erklärungsschild unter die Straßennamen zu schrauben. Diese Namen müssen viel stärker beleuchtet werden.“ Die Historiker in der Stadtverwaltung würden allerdings nur Empfehlungen an den Stadtrat ausgeben. „Die letztendliche Entscheidung obliegt dem Ältestenrat.“
Über die Pasinger Alois-Wunder-Straße – nach dem letzten Oberbürgermeister Pasings bis 1938 – wurde schon des Öfteren gesprochen. Alois Wunder hatte die Bedingungen für die Zwangseingemeindung Pasings ausgehandelt und erreicht, dass sowohl Rathaus, Marienplatz und auch der Viktualienmarkt den Pasingern erhalten bleiben. Wunder hat damit viel zur Pasinger Identität beigetragen, war allerdings wegen seiner Partei-Zugehörigkeit stets kritisiert. Ludwig Thoma war wegen seiner antisemitischen Äußerungen im Miesbacher Anzeiger in die Kritik geraten.
Verschwindet Geschichte?
Im Namen des Gremiums wollte BA-Vorsitzender Frieder Vogelsgesang wissen, ob in näherer Zukunft möglicherweise noch mehr Straßennamen „auf die Liste“ kämen oder der BA vielleicht sogar Mitspracherecht bei der Entscheidung erhielte.
Dies verneinte Heusler. „Der Ältestenrat hat immer Vorrecht.“ Eine noch längere Liste schloss Heusler nicht aus. „Es geht immer um aktuelle Wertevorstellungen. Da muss man abwägen.“ Winfried Kaum machte auf die Geschichte aufmerksam, die verschwinden würde, wenn alles getilgt sei, und plädierte für Erklärungsschilder unter den Straßennamen.
Andreas Bergmann sorgte sich um die wirtschaftlichen Auswirkungen von Umbenennungen. „Es werden Mittel zur Kompensation für Anwohner und Unternehmer bereitstehen“, versicherte Heusler. „Genaue Zahlen darüber werden aber erst im Laufe des Jahres feststehen.“
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