Alternative Wohnform
„Wohnen für Hilfe“ bringt Jung und Alt zusammen
Der Spätsommer und Herbst, wenn gerade das Semester und auch das Ausbildungsjahr begonnen haben, sind für junge Menschen in München besonders schwierig, denn viele von ihnen sind nach wie vor händeringend auf Wohnungssuche. Und die Suche nach einem bezahlbaren Zimmer ist auf dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt bekanntlich nicht einfach. Der Seniorentreff Neuhausen hat schon vor etlichen Jahren auf das Problem reagiert und das Programm „Wohnen für Hilfe“ ins Leben gerufen. „Während Studenten oder Auszubildende auf der Suche nach einer bezahlbaren Bleibe sind, haben viele ältere Menschen ein freies Zimmer und brauchen Unterstützung im Alltag“, sagt Ulrike Schneider-Savage vom Seniorentreff Neuhausen, die zusammen mit ihren Kollegen Brigitte Tauer und Christian Tippelt für „Wohnen für Hilfe“ zuständig ist.
Das Grundprinzip bei „Wohnen für Hilfe“ funktioniert so: Senioren mit einem freien Zimmer nehmen einen jungen Menschen bei sich auf und erhalten im Tausch Alltagshilfen, zum Beispiel beim Einkaufen, Putzen, im Garten oder einfach durch die Wohnraumbelebung und Gesellschaft. „Es können aber auch Arztbesuche oder Spaziergänge sein“, betont Christian Tippellt. „Der Orientierungsrahmen richtet sich danach: ein Quadratmeter Wohnfläche ist eine Stunde Hilfe im Alltag“. Ausgenommen sind Pflegeleistungen aller Art. „Für die Senioren ist auch dann jemand da, wenn es ihnen mal nicht so gut geht und der bei Bedarf die Angehörigen informieren kann.“
Im „Seniorentreff Neuhausen“ ist man im Rahmen von „Wohnen für Hilfe“ besonders auf der Suche nach Senioren, die ein freies Zimmer zur Verfügung stellen und dann die Vorteile des Programms in Anspruch nehmen können. „An wohnungssuchenden jungen Menschen mangelt es uns nicht“, sagt Ulrike Schneider-Savage. Und Christian Tippelt ergänzt: „Für viele Senioren gibt es da eine Hemmschwelle, sich bei uns zu melden und bei ‚Wohnen für Hilfe‘ mitzumachen.“ In einem Vorgespräch werde zunächst abgeklärt, welche Wünsche und Interessen bestehen, „und zwar auf beiden Seiten“, so Christian Tippelt weiter. „Bei ernstem Interesse machen wir dann einen Hausbesuch und klären die Details ab.“ Die Mitarbeiter des Seniorentreffs Neuhausen schlagen dann passende Wohnpartner vor. „Und die beiden entscheiden dann, ob sie zusammenziehen wollen. Wir begleiten und beraten dann solange die Wohngemeinschaft besteht.“
„Bei vielen Wohnpaaren entsteht eine Freundschaft“
„Wohnen für Hilfe“ sei für beide Seiten von Nutzen, betont Ulrike Schneider-Savage, „denn sowohl die jungen Menschen als auch die Senioren ziehen einen Gewinn daraus. Bei vielen Wohnpaaren entsteht tatsächlich auch eine Freundschaft. Das ist immer wieder schön zu sehen.“ Das bestätigt auch Helga Poschenrieder, die seit vier Jahren an „Wohnen für Hilfe“ teilnimmt und zusammen mit Lu Miao, der aus China stammt, eine Wohngemeinschaft bildet. „Lu ist bei mir eingezogen als er noch studiert hat. Seit dem 1. Juni ist er nun festangestellt“, erzählt die 82-Jährige, die, als sie noch berufstätig war, als Gutachterin am Gericht gearbeitet hat. „Er kümmert sich um die Gartenarbeit und geht auch mal mit dem Hund raus, wenn ich keine Zeit habe. Die beiden kommen sehr gut miteinander aus. Das war mir von Beginn an wichtig.“
„Gute Sache“
Helga Poschenrieder, deren Mann im Mai 2014 gestorben ist, ist sehr zufrieden mit „Wohnen für Hilfe“. „Das Ganze ist eine ausgenommen gute Sache“, betont sie. „Man ist immer noch unabhängig, hat aber jemanden zu Hause mit dem man auch mal sprechen kann und der einem hilft. Das finde ich enorm wichtig.“ Für sie sei es sehr viel angenehmer, nicht allein zu sein. „Im Laufe der Zeit kann man sich tatsächlich über sehr viele Sachen unterhalten. Wir verstehen uns sehr gut.“
„Wohnen für Hilfe“ basiert auf der Idee der nachbarschaftlichen Hilfe und der Solidarität zwischen den Generationen. Das Angebot wurde 1996 vom Seniorentreff Neuhausen e.V. für die Stadt und 2013 auch für den Landkreis München ins Leben gerufen. Weitere Informationen gibt es unter Tel. (089) 1392841920 sowie per Email an wfh@seniorentreff-neuhausen.de.
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