„180-Grad-Kehrtwendung“
Platz der Freiheit: Streit im Bezirksausschuss um Denkmal
Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) hat mehrheitlich einen Dringlichkeitsantrag von Grünen und SPD beschlossen, in dem gefordert wird, das Andenken „Zwölf Stelen“ am Platz der Freiheit zu verstetigen. Unter dem Motto "Erinnerungskultur wahren" wolle man das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus des Künstlers Wolfram Kastner dauerhaft erhalten. Die Stelen sind seit Juli 2016 auf dem Platz der Freiheit installiert. Die zunächst bis Ende Oktober 2017 befristete Installation wurde bereits zweimal verlängert.
Nun wird das Kulturreferat aufgefordert, ein Konzept für den dauerhaften Erhalt der gegenwärtigen Installation auf dem Platz der Freiheit zu erarbeiten. „Das Andenken am Platz der Freiheit ist von erheblichem öffentlichem Interesse und im Bewusstsein der Anwohner bereits fest verankert“, erklären Anna Hanusch und Christine Kleider. „Bereits zweimal – zuletzt am 28. November – hat sich die deutliche Mehrheit einer Bürgerversammlung für die Verstetigung der Installation ausgesprochen. Es gibt daher auch eine breite Unterstützung für die Erhaltung aus dem Stadtteil, die dieses Andenken bereits verinnerlicht hat.“
Beständigkeit
Nach Ansicht der beiden Antragsinitiatorinnen wird der kulturell-gesellschaftlichen, gegenwärtig zunehmend gebotenen Aufarbeitung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus nur durch die dauerhafte Installation der Stelen in ausreichendem Maße Rechnung getragen. „Der Austausch des Andenkens, auch im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung, wäre vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung, angesichts der steigenden Anzahl an rechtsextremistischen Gewalttaten und des zunehmenden Antisemitismus das falsche Signal. Der Erinnerungskultur wird seit Jahren durch die Stelen Ausdruck verliehen und sie formen den Charakter des Platzes aufgrund ihrer nunmehr fast vierjährigen Beständigkeit.“
„Keine klare Aussage“
Das Kulturreferat habe die Installation zweimal verlängert und folglich deren Bedeutung unterstrichen. Durch Erhaltung dieser Erinnerungskultur werde auch die Beständigkeit der Widerstand Leistenden im historischen Kontext unterstrichen, die durch Auswechslung der Installation nicht die gleiche Geltungskraft hätte. Eine Vorlage der Verwaltung zum bereits erwähnten Bürgerversammlungsantrag lehne die Verstetigung der Installation zwar ab. „Nach der ausführlichen Diskussion im Unterausschuss Kultur zur Beschlussvorlage wurde für die Ablehnung gestimmt“, betonen Anna Hanusch, die auch Vorsitzende des BA 9 ist, und Christine Kleider. Da diese reine Ablehnung keine klare Aussage oder Auftrag beinhaltet wie alternativ verfahren werden solle, werde diese nun durch den Dringlichkeitsantrag ergänzt.
„Fester Bestandteil des Ortes“
Mit ihm wollen die Antragsinitiatorinnen eigenen Angaben zufolge nun klarstellen, dass die Installation dauerhaft erhalten und nicht ersetzt oder nur ein weiteres Mal verlängert werden soll, da das Andenken bereits derart im Stadtteil verankert ist und so im Bewusstsein der Bürger gewachsen ist, dass es fester Bestandteil des Ortes geworden ist. „Ein Auswechseln könnte zudem eine Relativierung der Ausdruckskraft des Andenkens der Widerstandskämpfer im Lichte des wachsenden faschistisch geprägten Populismus ermöglichen und dementsprechend einen fatalen Symbolcharakter in der Öffentlichkeit haben.“
„Etwas Besonderes“
Scharfe Kritik am Antrag und vor allem dem Vorgehen der Grünen kommt von der CSU-Fraktion. „Damit haben die Grünen eine 180-Grad-Kehrtwendung gemacht, denn sie waren bisher wie die CSU der Meinung, dass dieser Platz Ort für verschiedene künstlerische Arbeiten zur Erinnerungskultur an die Widerstandskämpfer im Dritten Reich sein soll“, erklärt Wolfgang Schwirz (CSU). „Dies ist auch der Standpunkt des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, das in Absprache und unter Beteiligung des Bezirksausschusses zukünftig diesen wichtigen Platz im Viertel gestalten will. Die Beteiligung des BA in dieser ausgeprägten Form ist dabei etwas Besonderes, denn dies ist bei der Gestaltung von Plätzen im öffentlichen Raum so nicht üblich.“ Diese Vorlage hat die Mehrheit im BA 9, angeführt von Grünen und SPD, in der jüngsten Sitzung des Gremiums abgelehnt und „damit der Zusammenarbeit von Kulturreferat und BA bei der Gestaltung des Platzes der Freiheit die Grundlage entzogen.“
„Unzutreffender Vorwurf“
Zudem kritisiert die CSU in einer entsprechenden Stellungnahme die Formulierung, dass jeder, der für diesen Platz ein anderes Konzept verfolge, eine Haltung vertrete, die „eine Relativierung der Ausdruckskraft des Andenkens der Widerstandskämpfer im Lichte des wachsenden faschistisch geprägten Populismus ermöglicht und die dementsprechend einen fatalen Symbolcharakter in der Öffentlichkeit hat“. Dies sei nicht nur ein unzutreffender Vorwurf an die CSU im BA 9, die für diesen Platz anderer Meinung ist, erklären die Christsozialen. Dieser Vorwurf treffe auch das städtische Kulturreferat, das ebenfalls anderer Meinung sei. „Dieser Vorwurf trifft darüber hinaus jeden Künstler, der einen anderen Ansatz zur Gestaltung dieses Platzes verfolgt. Und dieser Vorwurf fällt auf die Vertreter der Grünen im BA zurück, die bisher den Ansatz einer wechselnden Konzeption der Erinnerungskultur für diesen Platz vertreten haben, also diejenigen, die bisher für die Grünen im BA waren und diejenigen, die es heute noch sind, hier aber nun umfallen.“
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