Wers glaubt ...
"Ziel ist es, Bayern noch besser zu machen: noch stärker, noch sozialer."
Bayerns Familienministerin Emilia Huml auf der Internetseite ihres Ministeriums.
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Nicht alles, was Politiker versprechen, erfüllen sie. Manches lässt sich nicht durchsetzen, manchmal verändern sich Umstände - und mitunter wird gelogen, dass sich die stärksten Balken biegen. Kann man glauben, was Politiker sagen? Unser Pinocchio-Test verrät es!
Was wurde versprochen?
Wer sich um die Pflege von Vater oder Mutter kümmern will, muss jede Menge organisieren - vor allem, wenn der Pflegefall plötzlich eintritt. Da wäre jede unkomplizierte Unterstützung höchst willkommen. Arbeitnehmer können seit 2012 z.B. Pflegezeit in Anspruch nehmen (und bis zu zwei Jahre lang ihre Arbeitszeit verringern, um Angehörige zu pflegen). Beruf und Familie sollten so im "Familienland Bayern" (so die Bezeichnung seitens des Müller-Ministeriums) endlich besser vereinbar werden.
Und was wurde gemacht?
Ein Anspruch auf Familienpflegezeit existiert nicht. Wie klärt man den Fall also mit seinem Arbeitgeber? Wir fragten das bayerische (Gesundheits- und) Pflegeministerium nach den Regelungen im Gesetz und erfuhren, wie hilfreich "Noch besser, noch sozialer"-Versprechen im Ernstfall sind:
Antwort Pflegeministerium: "Wir beantworten Ihre Anfrage so schnell wie möglich."
Nach einer Woche Sendepause haken wir nach.
Antwort Pflegeministerium: "Für das Pflegezeitgesetz ist das bayerische Familienministerium zuständig."
Wir leiten unsere Anfrage an das Familienministerium weiter.
Antwort Familienministerium: "Die Zuständigkeit für den Bereich Pflege liegt beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Wir bitten Sie, sich direkt dorthin zu wenden."
Wir verweisen das Familienministerium darauf, dass das Pflegeministerium glaubt, dass das Familienministerium ...
Antwort Familienministerium: "Wir fragen nochmal nach." Und schließlich: "Für die Umsetzung des Familienpflegezeitgesetzes ist das Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben (Bafza) zuständig."
Das "Bafza" verweist uns an das Bundesfamilienministerium, an das wir unsere Anfrage (inzwischen seit 25 Tagen auf der Reise durch den Behördendschungel) weiterleiten.
Gelogen hat Emilia Müller nicht. Bayerns Pflegeministerin Melanie Huml ("Ziel sind Lösungen für alle Lebensbereiche") auch nicht. Und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ("Mein Ziel ist, die Menschen bei der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf zu unterstützen") ebenso wenig. Die zugesagte Unterstützung blieben die drei Damen und ihre Ministerien indes schuldig. Unsere Anfrage versandete in der Behördenendlosschleife - ziellos.
Unsere Pinocchio-Wertung für Müller, Huml und Schwesig: 5 (Augenwischerei).
"Schwupps! wuchs die Nase so lang, dass Pinocchio sich nicht mehr im Zimmer umdrehen konnte. Die Fee aber setzte sich in einen goldenen Sessel und lachte laut und lustig. 'Warum lachst du?' fragte Pinocchio ängstlich. 'Über deine vielen Lügen!' 'Woher weißt du, dass ich gelogen haben?' 'Deine lange Nase hat es mir angezeigt.' Pinocchio wollte davonlaufen, aber seine Lügennase versperrte ihm den Weg. Da fing er bitterlich zu weinen an." (Carlo Collodi, Die Abenteuer des Pinocchio, 1883)
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