"Tierschutzgesetz viel zu lasch formuliert!"
Tierheim beherbergt fünf Nacktkatzen aus Qualzucht

Kein Fell, fehlende Bart- und Schnurrhaare: Das Tierheim München beherbergt aktuell fünf Nacktkatzen aus Qualzucht. (Foto: Tierheim München)
Anfang Februar kontrollierte die Polizei in Neuperlach einen ukrainischen Transporter und machte dabei eine grausige Entdeckung: Mehrere Katzen- und Hundebabys, massiv unterernährt und völlig verwahrlost in zu kleine Transportboxen gepfercht. Nach einer medizinischen Erstversorgung wurden die Vierbeiner dem Münchner Tierheim übergeben, der Fahrer durfte nach Zahlung einer Sicherheitsleistung von Dannen ziehen. "Bei den Miezen handelt es sich um Nacktkatzen, die übers Internet aus der Ukraine bestellt und vermutlich schon bezahlt worden sind", erklärt Judith Brettmeister, Sprecherin des Tierschutzvereins. Diese kanadischen Rassekatzen sind auch unter dem Namen "Sphynx" bekannt und besitzen nahezu keine Haare. "Die Katzen haben auch kaum Tasthaare. Vielleicht ein bis zwei Stummel pro Tier", bestätigt Brettmeister bedauernd. Immer häufiger würden Haustiere Modetrends unterworfen und den Wünschen der Menschen entsprechend gezüchtet. Zum Extrem getrieben kann das zu einer Tierquälerei werden: der Qualzucht. Vielen Rassen aus solcher Zucht sei ein problemloses Leben aufgrund der Besonderheiten ihres Körperbaus nicht mehr möglich.
Legal oder nicht?
"Als Qualzucht bezeichnet man bei der Züchtung von Tieren die Duldung oder Förderung von Merkmalen, die mit Leiden, Schmerzen, Schäden oder Verhaltensstörungen für die Tiere verbunden ist", klärt Brettmeister auf. Dies treffe auch auf die Nacktkatzen zu, da sie aufgrund des fehlenden Fells äußeren Temperatureinflüssen wie Hitze (Sonnenbrand) oder Kälte schutzlos ausgeliefert seien und die kaum vorhandenen Bart- und Schnurrhaare einen eingeschränkten Tastsinn zur Folge hätten. Gemäß §11b des Tierschutzgesetzes ist diese Art der Zucht bei Wirbeltieren in Deutschland verboten. Eigentlich. Aber: "Die Qualzucht ist im Tierschutzgesetz viel zu lasch formuliert, wodurch konkrete Verbote erschwert werden. Daher sind die Sphynx-Katzen in Deutschland doch wieder legal." Die Behörden hätten auf dieser Basis große Schwierigkeiten, die Qualzuchten rechtlich zu verfolgen.
Schon seit geraumer Zeit fordert der Deutsche Tierschutzbund "eine rechtlich verbindliche Verordnung, die klar definiert, was als Qualzucht gilt. Nicht nur die Zucht, sondern auch die Haltung und der Verkauf von Qualzuchten sollte verboten werden." Ein Unterfangen, das sich nicht so leicht umsetzen lasse, da "Veterinärämter und Juristen bei diesem Thema bislang häufig überfordert waren und das Problem auch dadurch gefördert wird, dass die Rassestandards größtenteils immer noch so konzipiert sind, dass die Zuchtziele mit einer Qualzüchtung verbunden sind", heißt es von Seiten des Tierschutzbundes.
Keine Internetkäufe
Wie es mit den Nacktkatzen im Tierheim nun weitergeht, ist noch unklar. Zumindest in einer Sache gibt Judith Brettmeister Entwarnung: "Den Miezen geht es inzwischen ganz gut, die Pflegerinnen haben sie sehr gut aufgepäppelt." Noch mindestens vier Monate Quarantäne stünde ihnen jedoch bevor. "Wie dann das Veterinäramt entscheidet - ob die Tiere von uns vermittelt werden dürfen oder ob sie an die ursprünglichen Käufer gehen - wissen wir noch nicht." Generell rät der Tierschutzverein München jedoch von Internetkäufen ab: "Man hat keine Garantie, ob die Tiere gesund sind. Man kennt auch das Muttertier nicht und die Nachkommen werden viel zu früh von der Mutter getrennt, was das Sozialverhalten der Jungtiere im höchsten Maße schädigt", warnt Brettmeister. Auch sollte man den illegalen Handel mit Tieren nicht noch unterstützen, wenn die ortsnahen Tierheime voll mit Tieren sind!
Im Falle einer Vermittlung der Nacktkatzen "werden die potenziellen Kandidaten von unseren Tierpflegern sehr genau unter die Lupe genommen", versichert die Sprecherin. Ideal seien dabei Tierfreunde, "die bereits Erfahrungen mit Nacktkatzen gesammelt haben und sich mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen, unter denen die Tiere durch die Nacktzucht leiden, auskennen."
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