Respekt ist...
... die Helden des Alltags zu würdigen.
Bernd Posselt, Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, findet:
Der große Europäer Otto von Habsburg meinte einmal, ein Politiker reife erst dann zum Staatsmann heran, wenn er im Zuge seiner Laufbahn hin und wieder kräftig auf die Nase gefallen sei. Dies gilt auch im allgemein Menschlichen. Nur wer selbst einmal gesundheitliche Probleme hatte, kann ermessen, was kranke oder behinderte Menschen im Alltag leisten. Ihnen gehört mein ganzer Respekt. Vor knapp zwei Jahrzehnten habe ich mir bei einem Sturz die Schulter doppelt gebrochen. Es war nicht so schlimm, und ich wußte, daß es vorbeigeht. Trotzdem war jede normale Handlung plötzlich eine geistige Herausforderung und eine besondere körperliche Anstrengung zugleich. Wer jedoch mit einer schweren Beeinträchtigung auf Dauer zu leben lernt, ist ein Held.
Ich bin immer wieder mit entsprechenden Persönlichkeiten, Gruppen und Einrichtungen zusammengetroffen: Im Straßburger Europaparlament mit der Rolli-Gang, einer bayerischen Gesangsgruppe von Menschen mit Behinderungen, die mit ihrer Musik anderen grenzüberschreitend Freude ins Leben bringen. Im Münchner Gehörlosenzentrum mit der beeindruckenden Gemeinschaft dort, die sich nicht in die Isolation zurückzieht, sondern Jahr für Jahr die schönsten Neujahrsempfänge in ihre Räume zaubert. In meinem Büro mit Kindern, die mit traumatisierten Altersgenossen aus Kriegsgebieten ein wunderbares Bild von Europa gemalt haben, das jeden Besucher fröhlich stimmt. In der Politik mit Kollegen, die im Rollstuhl sitzen, schwere Stotterer sind oder sich nur in Gebärdensprache verständigen können, aber trotzdem den Knochenjob von mindestens 80 Wochenstunden mit vielen Reisen und Reden auf sich nehmen, den ein Europamandat so mit sich bringt. In diese Kategorie gehört auch die fast Neunzigjährige, die ihren Mann zuhause pflegt und, wenn gerade keine Hilfe anwesend ist, selbst versucht, seinen schweren Körper, wenn dies nötig ist, umzubetten, bis über die Grenzen der Erschöpfung hinaus.
Unser Alltag ist voller echter und positiver Helden, denen wir in unserem hektischen Leben meist viel zu wenig Respekt entgegenbringen.
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