Ohne Kompromisse geht es nicht
Wen wählt man, wenn es nicht 1:1 passt?
Wie sieht die perfekte Partei aus? Bei einer Umfrage unter den aktuell circa 2,8 Millionen Erstwählern würde man auf diese Frage wohl auch 2,8 Millionen unterschiedliche Antworten erhalten. An der Bundestagswahl am 26. September 2021 nehmen aber nur 53 Parteien teil. Wie entscheidet man sich, wenn keine dieser Parteien zu hundert Prozent passt?
Klare Vorstellungen und hohe Ideale
Gerade junge Menschen legen die Messlatte bei der Bewertung von politischen Organisationen und Personen hoch an – sie haben klare Vorstellungen und hohe Ideale. Das ist grundsätzlich eine gute Eigenschaft, aber mit der Entscheidung für eine einzige Partei kaum zu vereinbaren. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine davon die eigenen Überzeugungen und Interessen möglichst 1:1 vertritt, ist eher gering: Die eine geht beim Umweltschutz nicht weit genug, bei der anderen finden sich zu wenig Ideen zur Verringerung der sozialen Ungleichheit. Bei einer dritten Partei passt die außenpolitische Ausrichtung nicht.
Den Kopf nicht in den Sand stecken
Was also tun? Eines ganz bestimmt nicht: Den Kopf in den Sand stecken und nicht zur Wahl gehen. Denn wenn man sein Stimmrecht nicht wahrnimmt, entscheiden andere für einen. Und nur wenn Politiker zum Beispiel junge Menschen als Wählergruppe wahrnehmen, berücksichtigen sie deren Themen in ihren Wahlprogrammen. In der Politik gilt im Kleinen wie im Großen, dass man Kompromisse schließen muss. Die Bundesrepublik Deutschland hat ihre Stabilität bisher ganz wesentlich daraus geschöpft, dass die unterschiedlichen Interessen von Wählern miteinander in einen Dialog gebracht und daraus zielführende, langfristig weithin akzeptierte Lösungen gefunden wurden.
Demokratien leben von der Auseinandersetzung, vom Ringen um die beste Lösung. Nur so erreicht man das Ziel, dass am Ende möglichst viele Bürger mit der Entscheidung einverstanden sind. Für die Wahlentscheidung bedeutet dies, dass Bürger die Wahlprogramme vergleichen und Prioritäten setzen müssen.
Was ist mir besonders wichtig?
Welche Themen sind mir besonders wichtig? Wo bin ich am wenigsten bereit, Kompromisse einzugehen? Es gibt im Netz zahlreiche Angebote, die die Programme der Parteien zusammenfassen oder nach bestimmten Kriterien analysieren, wie z. B. der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Selbstverständlich kann die Entscheidung auch durch eine bestimmte Person in der Partei beeinflusst werden.
Wen will ich unbedingt im nächsten Deutschen Bundestag sehen? Diese Kandidaten kann man mit seiner Erststimme direkt unterstützen oder mit der Zweitstimme dafür sorgen, dass möglichst viele Personen der Parteiliste in den Bundestag einziehen. Darüber hinaus kann es auch erhellend sein, sich die letzten vier Jahre anzusehen: Welche Ziele aus den Parteiprogrammen der letzten Bundestagswahl 2017 haben die Parteien umgesetzt? Hier liegt es in der Verantwortung der Politiker, den Wählern nachvollziehbar zu erklären, warum möglicherweise ein Kompromiss nötig war. Und um Verständnis dafür zu werben, dass dieses Vorgehen in der Regel mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Kompromisse sind der Schlüssel
Denn Kompromisse sind nötig: Sie brauchen Zeit und verlangen Flexibilität; sie verhindern aber auch extreme Ansätze und Fehler und fördern die Anerkennung in weiten Teilen der Gesellschaft. Unsere Demokratie funktioniert nur mit Kompromissen, die der Schlüssel für tragfähige Entscheidungen sind.
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