"Mit Konsequenzen rechnen"
Hass und Hetze im Internet werden geahndet
"Amts- und Mandatsträger, die wegen ihres Amtes oder Mandats im Internet Ziel von Straftaten geworden sind, können künftig Anzeigen und Prüfbitten schnell und unkompliziert online an die Justiz übermitteln", erklärte Justizminister Georg Eisenreich (rechts), der im Herbst mit Staatsanwältin Teresa Ott und Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb den Startschuss für das Meldeverfahren gab. (Foto: StMJ)
Hass und Hetze haben ein großes Ausmaß angenommen. Immer wieder schlagen Kommunalpolitikern und Abgeordneten Beleidigungen und Bedrohungen entgegen. In Einzelfällen wird aus Worten Gewalt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich warnte: "Angriffe auf unsere Politikerinnen und Politiker sind Angriffe auf die Demokratie. Die bayerische Staatsregierung nimmt diese Attacken auf unseren Rechtsstaat und seine demokratischen Repräsentanten nicht hin."
Das bayerische Justizministerium und das Innenministerium arbeiten daran, gemeinsam Hate-Speech noch konsequenter zu verfolgen und potenzielle Täter abzuschrecken. Dafür haben sie weitreichende Maßnahmenpakete geschnürt. Ein wichtiges Angebot der Justiz ist das Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten. "Abgeordnete, die wegen ihres politischen Amts oder Mandats im Internet oder per Mail bedroht oder beleidigt worden sind, können künftig Anzeigen und Prüfbitten unbürokratisch online an die Justiz übermitteln", erklärte Georg Eisenreich. Der Hate-Speech-Beauftragte der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, übernimmt dann. Er ist bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelt. Die Ermittlungsverfahren werden von ihm oder einem der bayerischen Sonder-Dezernenten geprüft. Bei allen 22 Staatsanwaltschaften des Freistaats wurden zudem Ansprechpartner für Kommunalpolitiker und Abgeordnete, die Opfer von Hate-Speech geworden sind, benannt.
Innenminister Joachim Herrmann appellierte, Hasspostings nicht zu verharmlosen: "Hetze im Netz kann die Vorstufe für schlimme Straftaten sein, wie der Mord an dem Kassler Regierungspräsidenten zeigt. Entscheidend ist, nicht wegzuschauen, sondern zu handeln und derartige Umtriebe konsequent anzuzeigen." Die Polizei sorge dafür, die von der Justiz übermittelten Online-Straftaten schnell zu bearbeiten. "Unsere Staatschutzexperten werden dabei von Spezialisten der Kommissariate für Cybercrime unterstützt, um die strafrechtlich relevanten Sachverhalte zügig und effektiv ausermitteln zu können", erläuterte der Innenminister. Das Verfahren schließt sich nahtlos an das bereits im November vergangenen Jahres im Landtag vorgestellte bayernweite Beratungs- und Präventionsprojekt mit verhaltensorientierten Hilfestellungen von Polizei-Experten für Kriminalprävention für die Abgeordneten an.
Landtagspräsidentin Ilse Aigner ergänzte: "Vor allem weibliche Abgeordnete und ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen sind zunehmend Opfer von Hass-Angriffen aus dem Netz. Wenn wir wollen, dass sich in Bayern mehr Frauen politisch engagieren, ohne dabei in Angst zu leben, ist es unsere Pflicht, sie zu schützen. Das Online-Meldeverfahren ist ein wichtiges Instrument, um genau das zu erreichen – und das ist am Ende für alle unsere Abgeordneten eine wichtige Unterstützung."
Wer beleidigt und hetzt, müsse in Bayern mit Konsequenzen rechnen, unterstrich Justizminister Georg Eisenreich: "Hass und Hetze sind kein Kavaliersdelikt. Volksverhetzung kann zu erheblichen Geldstrafen oder auch zu Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren führen. Wir lassen unsere Volksvertreter nicht allein. Der Freistaat steht seinen Kommunalpolitikern und den Abgeordneten des bayerischen Landtags zur Seite."
"Ein gutes Gegenmittel"
So bewerten Landtagsabgeordnete das Meldeverfahren:
"Hier können alle User einen Beitrag leisten"
MdL Kerstin Schreyer (CSU), Bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, Stimmkreisabgeordnete München-Land Süd:
Politiker sind in erster Linie Menschen. Unsere Entscheidungen mögen nicht immer allen gefallen, aber wir haben dabei immer das Wohl der gesamten Bevölkerung im Auge. Wir halten viel Widerspruch aus, doch für Hass darf es keinen Platz geben. Das Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten ist ein wichtiger Baustein, diesem Hass entgegenzuwirken. Wer Hass säht, muss auch online konsequent gemeldet, polizeilich verfolgt und juristisch belangt werden. Hier können alle User einen Beitrag leisten. Ich danke allen Menschen, die sich gegen Hass und für mehr Achtsamkeit engagieren. Nutzen Sie dafür das neue Meldeverfahren. Und an alle engagierten Kommunalpolitiker: Lassen Sie sich durch Hass nicht entmutigen. Sie leisten einen unschätzbar wichtigen Beitrag für unser Zusammenleben.
"Das Internet ist kein rechtsfreier Raum"
MdL Benjamin Miskowitsch (CSU), Stimmkreisabgeordneter Fürstenfeldbruck Ost:
Hass und Hetze untereinander und gegen Politiker haben leider massiv zugenommen. Vereinzelt mündet das auch in körperliche Gewalt. Das neue Online-Meldeverfahren hilft dabei, schnell und unkompliziert einen Vorfall melden zu können. Leider wissen immer noch nicht alle User, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Ich bin Polizei und Justiz sehr dankbar für die Art und Weise, wie sie zusammenarbeiten. Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, Hass und Hetze entschieden entgegenzutreten. Das neue Meldeverfahren soll den vielen ehrenamtlichen Politikern in Gemeinde, Stadt und Kreis auch den Rücken stärken und zeigen, dass sie nicht allein gelassen werden beim Kampf gegen Hass im Netz. Der politische Diskurs ist wichtig und hat aber dort seine Grenzen, wo es bedrohend oder beleidigend wird.
"Aufstehen, wenn Grenzen überschritten werden"
MdL Diana Stachowitz (SPD):
Das Meldeverfahren ist ein wichtiger Schritt für eine wirksame Bekämpfung von Online-Straftaten. Hetze im Netz kann eine Vorstufe von schlimmen Straftaten sein - deshalb dürfen Hass-Postings, Beleidigungen und Bedrohungen nicht verharmlost werden, sondern sie müssen schneller verfolgt werden. Das gilt aber nicht nur für uns Abgeordnete. Jede und jeder, der sich öffentlich für Demokratie einsetzt und sein Gesicht zeigt, ist diesen Angriffen ausgesetzt. Wir als Gesellschaft sind gefragt, mutig zu sein und aufzustehen, wenn Grenzen überschritten werden. Mein Dank gilt allen Kommunalpolitiker*innen und Personen des öffentlichen Lebens, die sich trotzdem weiterhin engagiert für unsere Gesellschaft einsetzen. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei bestmöglich zu schützen und zu unterstützen.
"Ich fordere seit langem eine virtuelle Polizeiwache"
MdL Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90 / Die Grünen, Stimmkreisabgeordnete München Milbertshofen:
Das Meldeverfahren ist ein erster wichtiger Schritt im Kampf gegen Hate-Speech. Es ist überfällig, dass der Freistaat den Amts- und Mandatsträgern hier zur Seite steht. Jedoch sollte diese einfache Form der Anzeige für alle Bürgerinnen und Bürger möglich sein - ich fordere deswegen seit langem eine virtuelle Polizeiwache. Es muss genauso leicht sein, Hasskommentare anzuzeigen, wie es für die Täter leicht ist sie zu tippen. Was in der analogen Welt strafbar ist, muss auch in der digitalen Welt wirksam verfolgt werden können! Ich bin sehr dankbar für alle Menschen, die sich trotz der zunehmenden Angriffe weiterhin für unsere Demokratie engagieren. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie!
"Wir lassen uns nicht einschüchtern!"
MdL Josef Schmid (CSU), Stimmkreisabgeordneter München Pasing:
Der politische Diskurs war schon immer hitzig, gerne mal laut und auch mal unverschämt. Aber er fand in direktem Austausch statt. Durch die Möglichkeiten der sozialen Medien verschiebt sich dieser Diskurs und verliert durch die Anonymität des Netzes an Anstand. Beleidigung, Volksverhetzung und üble Nachrede sind hier an der Tagesordnung. Deshalb ist das neue Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten ein wichtiger Schritt. Wir müssen unsere Demokratie und unsere Volksvertreter schützen. Vor allem unsere Kommunalpolitiker stehen täglich unter Druck, sie sollten nicht auch noch mit Drohungen oder übler Nachrede zu kämpfen haben. Doch wir lassen uns davon nicht einschüchtern! Mit den neuen Online-Meldeverfahren haben wir jetzt ein gutes Gegenmittel zur Hand.
"Beleidigungen haben mit freier Meinungsäußerung nichts zu tun"
MdL Ruth Waldmann (SPD):
Gegen Hass und Hetze muss entschieden vorgegangen werden – egal, gegen wen sie sich richtet! Als PolitikerInnen haben wir fast alle schon Bekanntschaft mit Anfeindungen im Netz gemacht, mit unterschiedlicher Ausprägung. Ignorieren hilft nicht. Deshalb ist es gut, dass es das neue Meldeverfahren gibt als einen Weg dagegen anzugehen. Allerdings sind nicht nur wir PolitikerInnen betroffen. Es ist wichtig, dass jeder Einzelne nicht die Augen davor verschließt und z.B. heftige Anfeindungen meldet – wenn nicht über das Meldeverfahren, dann bei der Polizei und der entsprechenden Plattform. Wichtig ist: Hetze und Beleidigungen haben mit freier Meinungsäußerung nichts zu tun.
"Die Luft für Straftäter wird dünner"
MdL Hans Friedl (Freie Wähler):
Ich möchte mich bei den KollegenInnen aller Politikebenen bedanken, die sich, trotz der vermehrten Anfeindungen in der letzten Zeit, nicht von ihrem Amt abhalten lassen oder aufgeben. Die Einführung des Online-Meldeverfahrens ist DAS Signal an die Verbreiter von Hate-Speech; der bisherige Prozess war zu aufwendig. Ich habe bisher als Empfänger von Hassemails mit Morddrohungen diese beiseitegeschoben. Mit der Einführung des Online-Verfahrens wird sich die schon jetzt gute Unterstützung der Polizei und Justiz schneller und einfacher entfalten können, da viele Dienststellen unkompliziert eingebunden werden. Die Luft für Straftäter wird dünner. Jeder BürgerIn kann sich einbringen, schon beim Aufkeimen von Hass gegenüber anderen aufstehen und seine Meinung kundtun. Und andere beziehe ich nicht nur auf die PolitikerInnen, sondern auf alle BürgerInnen.
"Wir sind stärker als Hass und Hetze"
MdL Markus Blume, CSU-Generalsekretär, Stimmkreisabgeordneter München Ramersdorf:
Ich unterstütze das neue Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten. Auch wenn soziale Netzwerke den Austausch und die Sichtbarkeit erleichtern, nimmt die Radikalisierung im Netz zu. Was sich im Netz abspielt, ist dabei oft jenseits von Gut und Böse. Hassreden im Internet werden zur Bedrohung der demokratischen Meinungsvielfalt und offenen Gesellschaft. Allgemein gilt: Wer hetzt, ob online oder offline, muss mit allen Konsequenzen des Rechtsstaates rechnen! Die Anonymität im Netz ist kein Freifahrtschein für die Verbreitung von Hass. Im Gegenteil: Anonymer Hass im Netz ist feige, diesem müssen wir Riegel vorsetzen. Als demokratische Gesellschaft sind wir stärker als Hass und Hetze.
"Gut, dass es dieses Meldeverfahren endlich gibt"
MdL Florian Ritter (SPD):
Gut, dass es dieses Meldeverfahren endlich gibt. Die Demokratie muss zwar auch zugespitzte Äußerungen aushalten, aber Beleidigungen, Bedrohungen oder Volksverhetzung zerstören jeden Diskurs. Ich muss leider immer wieder strafbare Inhalte zur Anzeige bringen und bin sehr dankbar für die unkomplizierte Zusammenarbeit mit der Münchner Polizei. Es gibt aber auch viele Kolleginnen und Kollegen, die erstmals mit solchen Botschaften konfrontiert sind und oft nicht einschätzen können, ob die Aussagen wirklich strafbar sind. Die mussten sich bisher immer erst vom Rechtsanwalt beraten lassen. Ich würde mir wünschen, dass wir auch für andere Betroffene von Bedrohungen solche Möglichkeiten schaffen.
"Wir können Hetze und Hass zurückdrängen"
MdL Natascha Kohnen, Landesvorsitzende der Bayern-SPD:
Hass und Hetze im Netz vergiften seit Jahren den Umgangston in unserer Gesellschaft. Seit 2017 nehmen insbesondere Straftaten gegen Bürgerinnen und Bürger, die sich politisch engagieren, deutlich zu. Deshalb ist es wichtig, dass nun mit dem Online-Meldeverfahren rasch gehandelt wird und Beweismittel schnell gesichert werden können. Sinn macht auch, dass die Anzeigen bei spezialisierten Staatsanwälten eingehen, die zunächst auf mögliche Straftaten prüfen und erst bei einem Verdacht an die Polizei weitergeben. Manchmal braucht es auch Mut, sich zu wehren, aber wir können gemeinsam als Gesellschaft die sich ausbreitende Hetze und den Hass zurückdrängen, wenn möglichst viele den Mut aufbringen.
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