"In jedem Kind den Schatz sehen"
Grundschule am Hedernfeld: Bunter Mix und doch vereint
Als Gabriele Strehle vor zwölf Jahren Rektorin der Grundschule am Hedernfeld wurde, hatte die pädagogische Einrichtung ein negatives Image. "Es gab ein Gewaltproblem und das hat sich bei vielen Leuten in den Köpfen festgesetzt", so die Schulleiterin. Es war höchste Zeit, die Dinge zu ändern. Dies geschah nicht von heute auf morgen und erst recht nicht ohne Aufwand. Doch die Mühen zahlten sich aus: 2011 wurde die Schule mit dem Profil "Inklusionsschule" gewürdigt und im aktuellen Schuljahr brachte die Teilnahme an zwei Ausschreibungen - dem Förderpreis für Migration und Bildung sowie dem Münchner Schulpreis - Auszeichnungen im Wert von insgesamt 18.000 Euro ein.
"57 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben Migrationshintergrund, ihre Familien kommen aus über 40 Herkunftsländern", heißt es in der Broschüre des Münchner Schulpreises. "18 Prozent der Kinder haben sonderpädagogischen Förderbedarf, acht Prozent sind hochbegabt. Ca. 60 Prozent treten auf das Gymnasium über, 20 Prozent auf Realschulen und 20 Prozent auf Mittelschulen." Wie ist bei solch einem bunten Mix ein gutes Miteinander möglich?
Vier gemeinsame Ziele
Um positive Veränderungen herbeizuführen, wurde vor zwölf Jahren gemeinsam ein pädagogisches Grundkonzept erarbeitet. "Es gab eine Projektwoche, in der wir - Lehrerschaft, Eltern und Schüler - die Werte der Schule eruiert, diese mit den Kindern durchgespielt und Regeln aufgestellt haben", so Rektorin Garbiele Strehle. "In einem zweiten Schritt wurden dann die Konsequenzen bei Verstoß gegen diese Werte festgelegt."
So entstand ein für alle verpflichtendes Schulleitbild, das sich durch vier zentrale Ziele auszeichnet: friedliches Miteinander, bestmögliche Förderung, vertrauensvolle Teamarbeit und vielfältiges Schulleben. "Für jedes einzelne Ziel gibt es verschiedene Bausteine. Diese setzen wir gemeinsam und für die Kinder verständlich um", erklärt die Schulleiterin und legt einen detailliert ausgearbeiteten Zettel vor. Schon auf den ersten Blick wird klar: Bei der Erarbeitung haben sich viele Menschen intensiv Gedanken über ein perfektes Miteinander aller Beteiligten gemacht. Die einzelnen Bausteine greifen ineinander wie Zahnräder und Schüler, Eltern, Lehrer sowie Kooperationspartner (Tagesheim, Jugendsozialarbeit, Internationen Bund e.V., etc.) sind gleichermaßen in der Verantwortung für ein gutes Gelingen.
Als Beispiel erläutert Gabriele Strehle den Baustein "Patenklassen", der zum friedlichen Miteinander beiträgt: "Dieser gehört zu den ältesten Umsetzungen. Dabei nehmen unsere Drittklässler die Erstklässler bei der Hand, führen sie in das Schulleben ein und zeigen ihnen die Abläufe an der Schule. So lernen sich die Schüler verschiedener Jahrgänge untereinander kennen und die Älteren übernehmen früh Verantwortung für die Jüngeren. Die Patenklassen haben sich bislang sehr gut bewährt."
Mottowochen
An den gemeinsamen Werten und Regeln werde kontinuierlich gearbeitet, versichert auch Elternbeiratsvorsitzende Birgit Fuchs-Laine: "Sechs Wochen lang gibt es ein bestimmtes Motto, das in einer zusätzlichen Klassleiterstunde für soziales Lernen intensiv erarbeitet wird. Aktuell ist es Toleranz, danach kommt Gemeinschaft. Mein Sohn Maxi ist in der dritten Klasse und ich merke, wie viel er aus diesen Mottowochen mitnimmt: Dazu gehören frühe Selbstreflexion und das Verstehen der Gefühle anderer."
Doch allein die Erarbeitung eines bestimmten Themas macht nicht den Unterschied. Wichtig ist schließlich, was jeder daraus gelernt hat und was man an der Durchführung eventuell verbessern kann. "Am Ende der Mottowoche steht immer eine Vollversammlung der Eltern, Schüler und Lehrer. Die Ergebnisse werden gemeinsam besprochen und bewertet", erläutert Gabriele Strehle. "Dies geschieht bildlich, damit alle Schüler das Endergebnis verstehen. Es werden drei durchsichtige, aber zunächst verdeckte Zylinder mit einem lachenden, einem neutralen und einem traurigen Gesicht darauf aufgestellt. Alle erhalten einen Muggelstein und werfen diesen in einen der Behälter - je nachdem, wie sie die Mottowoche empfunden haben. Am Ende werden die Zylinder schließlich aufgedeckt und so haben alle die Endbewertung bildlich vor Augen."
"Stolz auf Engagement"
Durch langjährige Erfahrung, intensive Teamarbeit und die Zusammenarbeit der gesamten Schulgemeinschaft erarbeitete sich die Grundschule am Hedernfeld das Profil "Inklusionsschule" - eine Auszeichnung, die viel Verantwortung mit sich bringt. "Das Know-How dazu haben wir löffelweise mit auf den Weg bekommen", lacht Gabriele Strehle. "Bei Inklusion muss auf viele Einzelheiten geachtet werden: So werden die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf gleichmäßig auf alle drei Klassen verteilt. Das soll garantieren, dass alle Schüler gleich- und bestmöglich gefördert werden, die Balance innerhalb der Klasse nicht kippt und die Lehrkräfte nicht zu sehr belastet werden." Den Pädagogen stehen zwei Sonderschullehrerinnen unterstützend zu Seite, mit denen regelmäßig Unterrichtsstunden im Teamteaching sowie kollegiale Hospitationen praktiziert werden. "Auf das ungemeine Engagement unserer Lehrer bin ich sehr stolz! Sie sehen in jedem Kind den Schatz, gucken genau hin stellen durch ihre aufmerksame Art sicher, dass Probleme frühzeitig erkannt und behandelt werden", lobt die Schulleiterin. Dieser Aussage pflichtet auch Brigit Fuchs-Laine bei: "Mein Sohn hatte in der ersten Klasse leichte motorische Schwierigkeiten mit den Händen. Seine Lehrerin hat uns gleich darauf hingewiesen. Die anschließende Physiotherapie war richtig und hat ihm sehr geholfen. Es ist beruhigend zu wissen, dass die Kinder von den Lehrern nicht nur gesehen, sondern so wie sie sind angenommen werden."
"Wir sind wie eine Giraffe"
Auch als Elternteil fühle man sich an Grundschule am Hedernfeld respektiert und einbezogen, wie Birgit Fuchs-Laine erläutert: "Ideen werden von der Schulleitung angehört und angenommen, sodass wir Eltern uns gerne in Workshops, bei Stammtischen mit Lehrern oder als Lese-, Lern- und Schwimmpaten engagieren. Mütter, welche die Sprache nicht sprechen, haben im Rahmen des Integrationskurses 'Mütter lernen Deutsch' die Möglichkeit, an der Schule einen günstigen Kurs zu belegen. Sie machen Ausflüge, Theater- und Museumsbesuche und beteiligen sich an verschiedenen Aktionen und Feiern mit einzelnen Klassen. Für elterliche Belange hat man immer ein offenes Ohr sowie flexible Sprechzeiten für Berufstätige. Diese intensive Zusammenarbeit und der kontinuierliche Austausch machen unsere Grundschule zu einem besonderen Ort."
Das Symbol für diese bunt gemischte Schulgemeinschaft ist übrigens die Giraffe. Was auf den ersten Blick befremdlich klingen mag, leutet bei genauerer Betrachtung ein: "Eine Giraffe hat verschiedene Flecken auf dem Rücken. Diese stehen bei uns für die verschiedenen Menschen. So sind wir alle individuell und gehören doch zusammen", fasst Gabriele Strehle abschließend zusammen.
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