"In den nächsten fünf Jahren sollen 500.000 Bäume gepflanzt werden"
Kristina Frank über Holzeinschlag und Nachwachsen, Mischwald und Wetterextreme, Konflikte und Detektivinstinkt
Das Kommunalreferat ist eines der großen "Ministerien" der Stadt München. Es verwaltet Ressourcen und kümmert sich um die Lebensgrundlagen der Bürger: Zu seinem Aufgabenbereich gehören die Markthallen, der Abfallwirtschaftsbetrieb und die Grundstücke der Stadt. Kristina Frank leitet diese Behörde seit 2018 und ist damit so etwas wie die Hüterin echter "Schätze". Auch der Wald gehört dazu. Wie in einer Großstadt mit Wald umgegangen wird, erklärt Kristina Frank im Interview mit Johannes Beetz:
"Wir bewirtschaften 5.500 Hektar"
Man mag es oft kaum glauben, aber unsere Großstadt München hat nicht nur Parks und Gärten, sondern richtige Stadtwälder. Als Kommunalreferentin sind Sie unsere „Oberförsterin“.
Wieviel Wald hat München denn?
Kristina Frank: Die städtische Forstverwaltung München bewirtschaftet rund 5.500 Hektar Wald. Dazu zählt nicht nur der Wald der Landeshauptstadt München, dieser macht rund 3.000 Hektar aus, sondern z.B. auch Wald der Heiliggeistspitalstiftung sowie der Stadtwerke München.
"Es unterliegt dem Prinzip der Nachhaltigkeit"
Wer Wald nutzt, egal ob als Spaziergänger oder holzverarbeitender Betrieb, erntet etwas, das die Generation seiner (Ur-)Großeltern vorausschauend angelegt und mit viel Arbeit, Herz und Verstand bewahrt hat. Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist wohl nirgends so tief und lange verwurzelt wie in der Waldnutzung.
Wie bewirtschaften Sie die Stadtwälder, damit sie auch unseren (Ur-)Enkeln zur Verfügung stehen?
Kristina Frank: Der Münchener Stadtwald ist unabhängig zertifiziert nach den Naturland-Richtlinien zur Ökologischen Waldnutzung und im Rahmen einer Gruppenzertifizierung nach den Deutschen FSC-Standards. Der Holzeinschlag unterliegt in den Münchner Stadtwäldern nach wie vor dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Das heißt, es wird jedes Jahr maximal so viel Holz aus dem Wald entnommen, wie nachkommen kann. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die Münchner Wälder in ihrem Ausmaß und ihrer Funktion erhalten bleiben und sogar wachsen.
Um die Produktionskraft des Waldbodens zu erhalten, muss er geschützt werden. Tiefwurzelnde Baumarten erschließen größere Nährstoffreserven. Das Unterlassen von Kahlschlägen schützt vor Auswaschung wertvoller Nährelemente. Frostperioden und die winterliche Vegetationsruhe werden konsequent für die Waldpflege und Holzernte genutzt. Breitreifenschlepper mit Kran sorgen für Pfleglichkeit bei der Holzausbringung. Seit 1950 findet im Stadtwald kein Gifteinsatz statt.
"Eigentlich im Gebirge zuhause"
Der Klimawandel verlangt, dass wir unsere Wälder „umbauen“. Unser Bild vom hiesigen Wald ist – siehe Sendlinger Wald – seit Generationen von der Fichte geprägt. Der „Brotbaum“ unserer Vorfahren ist einfach ein Stück Heimat, so dass vielen Bürgern der „Abschied“ von der Fichte schwerfällt.
Warum muss die Fichte weichen – und wie sollen unsere Wälder denn künftig aussehen?
Kristina Frank: Die Fichte ist eine Baumart, die eigentlich im Gebirgsraum zu Hause ist. Dort ist sie klimatisch gut angepasst. In der Münchner Schotterebene kann sie nur sog. „Flachwurzeln“ ausbilden. Das heißt, sie wurzelt nicht in die Tiefe des Bodens, sondern nur tellerartig im oberen Bodenbereich. Dadurch ist sie sehr anfällig für Sommertrockenheit, Windwürfe und - damit verbunden - für Borkenkäferkalamitäten.
Da die Sommer aufgrund des Klimawandels zunehmend heißer und trockener werden und die Extremereignisse wie starke Stürme zunehmen, kommt die Fichte immer mehr an ihre Existenzgrenze. Es bedarf daher Baumarten, die mit dem künftig herrschenden Klima besser zurecht kommen.
Ziel ist es, überall sog. dauerhafte stufige Mischwaldstrukturen mit klimatoleranten Baumarten (mit Laubbäumen, wie beispielsweise der Eiche, aber auch geeigneten Nadelbäumen, wie der Tanne) anzulegen.
"Über den eigenen Horizont schauen"
Wälder haben vielfältige Funktionen – als Naherholungsraum für die Städter, als Wirtschaftsraum, als Fundament für die Artenvielfalt, als Trinkwasserspeicher und mehr: Alles Dinge, die im besten Sinne zur Daseinsvorsorge gehören. In einer urbanen Region werden Wälder aber nie „nur“ Naturschutzgebiete sein können, die Mensch nicht nutzt: Rund um eine Großstadt gibt es auch weitere Interessen und Bedürfnisse. Das muss ja nicht gleich ein Autobahnring sein, sondern fängt schon beim Kiesabbau an.
Wie bringen wir das alles unter einen Hut?
Kristina Frank: Das ist natürlich eine Herausforderung, aber oftmals ist es möglich, Synergien herzustellen. Wir versuchen, möglichst viele Funktionen auf einer Fläche zu erhalten, aber manchmal gibt es unvermeidbare Interessenskonflikte. Diese moderieren wir so gut als möglich und versuchen, über kreative und kommunikative Wege so viel als möglich unter einen Hut zu bringen. Dabei muss man häufig über den eigenen Horizont hinausschauen und z.B. Waldflächen auch erweitern.
"Wir versuchen, die Verluste zu kompensieren"
Das Bewusstsein für Umwelt und Wald ist groß: Bürger gehen oft auf die Barrikaden, wenn sie wegen Bau- oder Gewerbeprojekten Wald in Gefahr sehen. Andererseits gibt es alleine in München jedes Jahr 1.500 bis 2.500 „Privatbäume“ weniger als im Vorjahr. Wer auf seinem Grundstück bauen will, dem ist „der eine Baum“ dann doch nicht so wichtig. Müssten wir in den Städten das Baurecht nicht hinter das „Baumrecht“ zurückstellen, um das Stadtklima zu schützen?
Kristina Frank: Wir versuchen die Verluste, die durch das Bauen von notwendigem Wohnraum entstehen, durch Aufforstungen zu kompensieren. Insgesamt sollen in den nächsten fünf Jahren 500.000 Bäume gepflanzt werden. Hierfür will die Landeshauptstadt München auch im großen Stil Flächen im Umland aufkaufen – wir sind gerade auf der Suche und freuen uns über Flächenangebote.
"Ausflug in das Grüne Klassenzimmer buchen"
Nicht jedes Stadtkind kennt den Wald. Welche Projekte gibt es für Münchner Kinder, um ihnen den doch so nahe liegenden Wald noch näher zu bringen?
Kristina Frank: Es war mir sehr wichtig, dass seit Anfang 2020 der Städtischen Forstverwaltung München eine Försterin mit Schwerpunkt Waldpädagogik zur Verfügung steht. Schulklassen und Kindergartengruppen können einen Ausflug in das Grüne Klassenzimmer bzw. Kinderzimmer buchen und spielerisch in dieses faszinierende Ökosystem eintauchen sowie den Beruf des Försters und die vielfältigen Funktionen des Waldes kennenlernen. Auch sonst engagieren wir uns vielseitig, beispielsweise am 14. Februar 2020 bei der langen Nacht des Waldes im Fürstenrieder Wald. Zudem sind, sobald es die Corona-Situation wieder erlaubt, auch Familienveranstaltungen wie gemeinsame Baumpflanzaktionen geplant.
"Da ist es richtig wild und unberührt"
Als Kommunalreferentin leiten Sie eines der größten „Ministerien“ unserer Stadt und haben sicher mindestens so viel zu tun wie der Redakteur einer Wochenzeitung. Wenn Sie trotzdem mal Zeit für einen Waldspaziergang finden – wo gehen Sie am liebsten hin?
Kristina Frank: Natürlich in unsere eigenen Stadtwälder … Sehr gerne bin ich in der Aubinger Lohe, besonders in der Moosschwaige - da ist es richtig wild und unberührt. Und seit wir dort 2020 gemeinsam mit dem Bund Naturschutz auf Spurensuche der seltenen Wildkatze waren, erwacht dann auch jedes Mal wieder mein Detektivinstinkt und ich halte Ausschau nach Tierhaaren oder ähnlichen Hinweisen.
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