"Ich werde unseren Laden vermissen"
Ursula Straßer über die Schwierigkeiten des lokalen Einzelhandels
Die Astallerstraße ist ein Bilderbuchbeispiel für das "In"-Viertel Westend: Hübsche Altbauten, schmale Straßen bei verhältnismäßig breiten Gehwegen, viele üppige Bäume. Inmitten dieses Idylls gibt es putzige kleine Läden und ein paar Restaurants mit einem Außenbereich auf dem Bürgersteig. Einem Außenstehenden fällt bei näherer Beobachtung schnell auf: Die Leute hier sind herzlich, grüßen sich, kennen sich. Ein Dorf mitten in der Stadt.
Handwerk fürs Westend
In dieser putzigen Straße im Westend hat auch Ursula Straßer ihren Laden "von Platea Design". Vor dem Schaufenster locken auf einem weißen Tabletttisch Dekorationsgegenstände, Accessoires und Hemden. Alles in bayerischem Stil, aber zeitlos gestaltet. Auch das Schaufenster ist heimatlich-modern geschmückt: Eine Tasche aus Filz, pastellfarbene Tonflaschen verschiedener Größen, der Oberkörper einer Schaufensterpuppe, die einen dunkelblauen Trachtenjanker mit einem farblich ergänzenden Seidenschal und einer passenden Kette trägt. "Kreatives Gestalten war schon immer meine Leidenschaft", gesteht die 53-Jährige Ladeninhaberin. "Das wurde mir von meiner Familie mit auf den Weg gegeben. Schon als Kind habe ich ungemein gerne gebastelt." Filzen und Nähen liebe sie genauso, was bei Feierlichkeiten immer ein Vorteil gewesen sei: "Inzwischen hat jeder in meinem Bekanntenkreis einen Janker von mir. Das wurde zu jedem Anlass geschenkt", lacht die sechsfache Oma.
Als Ursula Straßer für eine Familienfeier keine passende Handtasche zu ihrem Dirndl fand, entschloss sie sich kurzerhand selbst eine zu gestalten. Diese gefiel dem Bekanntenkreis so gut, dass immer mehr Taschen angefordert wurden. Mit der Zeit kamen weitere Accessoires, Kleider und Gegenstände hinzu, stets mit dem besonderen bayerischen Etwas. "Ergänzend zu meinen Handtaschen hat meine Schwester passenden Schmuck entworfen. Als Zahntechnikerin hat sie nämlich das nötigte ruhige Händchen für solch filigrane Bastelarbeit." So entstand mit Schwesterherz Heidemarie Bissinger die Idee, eine Trachten-Kollektion zu entwerfen und zusammen einen Laden zu eröffnen. Als dann auch noch die vermietet geglaubten Räumlichkeiten in der Astallerstraße wieder frei wurden, schien für die Schwestern ein Traum in Erfüllung zu gehen. Mit der Eröffnung ihres Ladens "von Platea Design" brachten sie ihr bayerisches Handwerk ins Westend.
"Wir geben nicht auf!"
Heute, ein knappes Jahr später, sehen die Schwestern die Dinge etwas anders. Kreativ sind sie nach wie vor, aber entzaubert vom Viertel. "Schön ist die Astallerstraße zum Wohnen, aber nicht unbedingt für den Einzelhandel. Der Laden trägt sich einfach nicht", bedauert Ursula Straßer. Das Westend befinde sich im Wandel: In den vergangenen Monaten seien mehrere kleine Geschäfte geschlossen worden, stünden leer oder würden zu Büros umgestaltet. Es gäbe zu wenig Laufkundschaft, zudem ließen sich viele Leute von kleinen Einzelhandelsläden abschrecken. "Das Klischee, kleine Geschäfte seien teurer als große, hält sich hartnäckig in den Köpfen vieler Leute. Aber 70 Euro für eine handgefertigte und individuell angepasste Handtasche aus hochwertigem Material - da kosten viele Modelle von der Stange wesentlich mehr", hält sie dagegen.
Auf Märkten und Veranstaltungen präsentierten die Schwestern bei jedem Wind und Wetter ihre Produkte, die bei den Leuten auch immer sehr gut ankamen. "Aber zumeist wurde ich gefragt, ob wir auch einen Internetshop haben. Ich habe mich immer gegen einen Onlineshop gewehrt. Das Internet ist meiner Meinung nach der Tod des Einzelhandels", erklärt Ursula Straßer. Nun überlegt die 53-Jährige dennoch ihre handgefertigte Ware über die Internetseite einer Freundin anzubieten: "Wir haben uns dazu entschlossen, aus unserem kleinen Laden ein Atelier zu machen und Handtaschen und Schmuck auf Bestellung anzufertigen. Für die Umgestaltung zum Atelier Ende Mai möchten wir unsere vorhandenen Produkte aber noch an den Mann bringen." Ihren Traum von kreativer Handarbeit können die beiden Frauen auf diese Weise weiter tragen: "Wir geben nicht auf, das ist nicht unsere Art. Wir passen lediglich das Angebot der exakten Nachfrage an."
Auf Wunsch gestalten
Mit der schweren Entscheidung zu diesem neuen Geschäftsmodell sei ihnen jedoch eine große Last von den Schultern gefallen. "Ich werde den Laden dennoch sehr vermissen", gibt Ursula Straßer bedauernd zu und lässt den Blick über ihr noch vorhandenes Sortiment schweifen. "Es war mir immer eine sehr große Freude, meine fertigen Taschen zu begutachten und mir Gedanken über neue mögliche Modelle zu machen. Aber dafür kann ich im Atelier nun weiterhin mit meinen Kunden kreativ werden und die Produkte nach ihren ganz persönlichen Wünschen gestalten. Dieser Schaffensprozess gemeinsam mit den Leuten hat mir immer großen Spaß gemacht und ich bin froh, diesen Service weiterhin anbieten zu können." Das bayerische Handwerk der Schwestern geht dem Westend somit Gott sei Dank nicht verloren.
Bei der abschließenden Frage, welcher Gegenstand ihr liebster sei, zieht sie nach langer Überlegung eine graue Filztasche mit einem Streifen aus Samt und einer kleinen Schleife hervor. "Diese mag ich besonders gerne, vielleicht auch, weil ich mir mit dem Samt etwas schwer getan habe. Der weiche Stoff war sehr rutschig, sodass ich öfter ansetzen musste, bis ich mit dem Endergebnis restlos zufrieden war." Bestellungen von handgefertigten Handtaschen und Schmuck nach eigenen Vorstellungen nehmen die beiden Schwestern persönlich in der Astallerstraße 13 entgegen, Termine für ein Treffen zur Gestaltungsbesprechung können auch telefonisch unter 0172 8738250 vereinbart werden.
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