Florian von Brunn, SPD
- 1969 in München geboren, seit 1995 Wohnhaft in Sendling
- zwei Kinder mit Lebensgefährtin
- arbeitet als IT-Berater
- seit 1990 Mitglied der SPD
"Ich bin seit 1990 in der SPD, weil es mir wichtig war und ist, aktiv für soziale Gerechtigkeit und die Erhaltung von Umwelt und Natur einzutreten.
Ich bin überzeugt, dass es keine Freiheit ohne Gerechtigkeit und Solidarität gibt. Wer arm ist oder in sehr eingeschränkten Verhältnissen lebt, ist nicht frei. Freiheit und Gerechtigkeit entstehen nicht von alleine. Dafür muss vor allem auch die Politik sorgen."
Der Werbe-Spiegel, der Sendlinger Anzeiger und das SamstagsBlatt haben eine Politiker-Reihe, genannt „Aug' in Aug' mit der Politik“, ins Lebens gerufen, bei der sich Entscheidungsträger mit einem kurzen Statement zu einem bestimmten Thema äußern können.
Welche Veränderungen streben Sie auf dem Münchner Mietmarkt an?
"München wird immer teurer! Deswegen muss die Miet-Explosion beendet werden. Mehr Neubau alleine reicht nicht. Wir brauchen einen Stopp für Miet-Erhöhungen. Mieter dürfen nicht länger durch Modernisierung abkassiert und vertrieben werden. Damit München bezahlbar bleibt, müssen die Menschen auch genug verdienen. Deswegen: Mindestlohn und Anhebung von Mini-Renten. Damit alle ohne Not leben können!"
Was erwarten Sie von Papst Franziskus?
"Der neue Papst hat gut begonnen. Der Name Franziskus zeigt, dass er für Arme und soziale Gerechtigkeit eintreten will. Das und sein bescheidenes Auftreten wecken Hoffnung. Worten und Gesten müssen aber Taten folgen. Viele Menschen fordern die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, eine neue Einstellung der Kirche zu Frauen und Abtreibung, Homosexualität, Verhütung und Aids. Franziskus, erhöre uns!"
Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen?
"Nein, bitte kein grundsätzliches Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen. München darf nicht kleingeistig werden. Aber es ist gut, wenn in Einzelfällen auch Grenzen gesetzt werden können. Ich finde, es ist viel mehr Rücksichtnahme aufeinander notwendig. Egal ob am Gärtnerplatz oder an der Isar am Flaucher. In manchen Fällen hört leider der Spaß auf. Feiern ja, aber bitte nicht auf Kosten anderer!"
Soll die Wasserversorgung in Deutschland privatisiert werden?
"Nein, Finger weg vom Wasser! Wasser ist keine Ware. Alle Versuche, die Wasserversorgung zu privatisieren, haben nur Schaden verursacht: schlechtes Trinkwasser, marode Leitungen, hohe Preise. Einige multinationale Konzerne wollen weltweit mit Trinkwasser verdienen. Sie machen Profit, die Menschen zahlen die Zeche. Der Ball liegt bei der Regierung, die diese Pläne stoppen kann. Wasser muss öffentlich bleiben! Genau wie die Bahn und der Nahverkehr."
Sexuelle Belästigung in Chaträumen: Sind Sie der Meinung, dass zum Schutz der Heranwachsenden seitens des Staates alles Menschenmögliche getan wird, um im Internet korrigierend und beschützend einzuwirken?
„Die Politik muss mehr tun! Einrichtungen wie jugendschutz.net brauchen mehr Personal und Geld. Chatroom-Betreiber und soziale Netzwerke müssen stärker in die Pflicht genommen werden. Die Schule sollte mehr Internet-Kompetenz vermitteln. Auch Eltern müssen sich informieren, Gefahren besprechen und Internet-Regeln mit den Kindern ausmachen. Wichtig ist ein gutes Verhältnis und ein offenes Ohr. Damit die Kinder wissen, dass ihre Eltern ihnen helfen.“
Ist der Entertainer Stefan Raab ein angemessener Moderator für das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück?
„Kein Zweifel: Stefan Raab bringt zum Kanzlerduell sicher viele vor den Fernseher, die sonst nicht schauen. Ich frage mich nur: Wissen diese Promi-Moderatoren mit Spitzenverdienst, wo den Menschen der Schuh drückt? Mir sind kritische Journalisten lieber, die die richtigen Fragen stellen. Zum Beispiel: Was tun Sie gegen die explodierenden Mieten? Was gegen Niedriglöhne und Mini-Renten? Für wen setzen Sie sich ein: für Konzerne oder für Menschen?“
Haben Sie mit Ihren Eltern, Großeltern oder Verwandten über die NS-Zeit und den 2. Weltkrieg gesprochen?
„Mein Vater hat mir viel erzählt: über die Flucht, Bombenangriffe und die Ankunft in der Sicherheit eines Allgäuer Bauernhofs. Über die Großmutter, die das ganz alleine geschafft hat. Später wollte ich wissen, was mein Großvater als Wehrmachts-Offizier erlebt hat. Und was er wusste von den Verbrechen an und hinter der Front. Zur Zeit sprechen wir über meine Urgroßtante, die SPD-Reichstagsabgeordnete Toni Pfülf. Sie hat 1933 gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt. Im Juni ist ihr 80. Todestag.“
Soll die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen ausgeweitet werden?
„Die Videoüberwachung ist dort sinnvoll, wo es häufiger zu Gewaltdelikten gegen Menschen, zu Diebstahl und Sachbeschädigung kommt. Sie hat sich zum Beispiel in U-Bahnhöfen bewährt. Aber: Ich will keinen Überwachungsstaat, der seine Bürger auf Schritt und Tritt kontrolliert. Deswegen Vorsicht: nur so viel Videoüberwachung wie absolut notwendig. Das muss auch immer wieder überprüft werden. Die Politik muss hier das richtige rechtstaatliche Maß finden.“
Welches Buch würden Sie anderen weiterempfehlen?
„Ich empfehle das Buch „Selbst denken“ von Harald Welzer. Er stellt die aktuelle Politik in Frage angesichts der globalen Probleme: Umwelt, Klima und Armut. Und bezweifelt, ob das Prinzip des „Immer mehr“ bei uns richtig ist. Sein Fazit: Mehr Freiheit, Kultur und Glück statt Konsum. Meine zweite Empfehlung: die „Sauwaldprosa“ des Bayerischen Literaturpreisträgers Uwe Dick. Sein Lebenswerk, „indoeurobairisch“ , Sprache pur. Zitat: „A Quintessenz is a Essenz, de ma quint, wemma lang gnua nochdenggt“.
Mangelnde KiTa-Plätze: Was möchten Sie in Ihrem Stadtteil/Stimmkreis konkret unternehmen, um Betreuungsplätze zu schaffen?
„München hat viele neue Kita-Plätze geschaffen. Aber der Personal-Mangel bremst den Ausbau. Hauptgrund ist das niedrige Gehalt von KinderpflegerInnen und ErzieherInnen. Hier ist Bayern in der Pflicht. Beispiel ErzieherIn: 5 Jahre Ausbildung, davon jahrelang Praktikum für ein Mini-Gehalt, dann Vollzeit für 1500 Euro netto – im teuren München! Das ist viel zu wenig. Deswegen: endlich besser bezahlen, Ausbildung reformieren und Quereinsteiger fördern!“
Würden Sie die Riester-Rente empfehlen?
"Riester rentiert sich häufig nicht, vor allem bei niedrigen Einkommen. Außer für die Versicherungen. Es gibt derzeit nur kaum Alternativen, weil die Rente alleine nicht mehr reicht. Schuld daran ist auch die Politik. Nach der Finanzmarktkrise vertraue ich der Privatvorsorge nicht mehr. Wir brauchen den Kurswechsel zu einer Renten-Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Denn die Rentenversicherung hat sich bewährt und sogar den 2. Weltkrieg überlebt!"
Stadtteil-Check: Was möchten Sie in Ihrem Stimmkreis am dringendsten verändern?
„Ich will mehr Mieterschutz und bezahlbare Wohnungen! Dafür müssen die Mietsteigerungen gestoppt werden. Schluss mit der preistreibenden, häufig unnötigen Modernisierung zu Lasten der Mieter! Sendling, Giesing, ganz München müssen für Menschen mit normalen Einkommen bezahlbar sein. Aber unsere Stadt muss auch lebenswert bleiben und die Viertel ihren Charakter behalten. Deswegen: Verdichtung und Neubau mit Augenmaß. Finger weg von den Grünflächen!“
Land unter! Sollte Bayern mehr Geld in den Hochwasserschutz investieren?
"Die Hochwasser werden auch schlimmer, weil die Flüsse begradigt und zwischen Deiche gezwängt sind, der Boden drainiert oder versiegelt ist, weil Überflutungsfläche fehlt. 18 Hektar Land werden pro Tag in Bayern zubetoniert! Wir müssen endlich umsteuern. Flüsse müssen sich bei Hochwasser ausdehnen. Wir brauchen Auwälder statt Verbauung. Das Motto: Lernen von der Natur statt Schutz zu suchen in Beton. Das Vorbild: die renaturierte Isar in München!"
Sprachreformen an der Uni Leipzig: Ist die Einführung ausschließlich weiblicher Titel sinnvoll?
"Professorin statt Professor? Warum nicht? Jahrhundertelang haben Männer dominiert. Frauen hatten nichts zu sagen. Ein Beispiel: Bis lange nach dem Krieg entschied ER, ob SIE arbeitet und bestimmte über IHR Vermögen. Die Sprache spiegelt diese Vorherrschaft immer noch wider. Sie bevorzugt männliche Formen. Der Philosoph Wittgenstein sagte: 'Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt'. Die Uni Leipzig nimmt diese Einsicht ernst."
Sind Sie zufrieden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in München?
"Wenn München nicht in Autoverkehr, Lärm und Abgasen ersticken soll, brauchen wir mehr öffentlichen Verkehr! Funktionieren muss er aber auch. Die Stadt selbst tut viel. Beispiel: U-Bahn oder U wie Ude. Das Problem ist vor allem die S-Bahn. Für sie sind die Bahn AG und der Freistaat zuständig: S wie S-Bahn oder Seehofer. Wichtige Investitionen bleiben aus. Das Münchner Verkehrsnetz braucht aber mehr (Quer)Verbindungen, eine zuverlässige S-Bahn und mehr Regionalzüge. Kurz: neue Wege statt neuer Straßen."
Sind Sie zufrieden mit dem deutschen Schulsystem?
"Nein! In Bayern zahlen Eltern jedes Jahr 250 Millionen Euro für Nachhilfe. Ein Akademiker-Kind hat eine siebenfach höhere Chance auf das Gymnasium als ein Facharbeiter-Kind. Die Lösung ist die Gemeinschaftsschule: Gemeinsam bis zur zehnten Klasse, ohne Notendruck und Benachteiligung. Mit modernem Unterricht, in dem jedes Kind gefördert wird und Freude am Lernen hat. So wie in der Anne-Frank-Schule, die den deutschen Schulpreis gewonnen hat. Seit zehn Jahren hat kein Kind die Schule ohne Abschluss verlassen. Zehn Prozent der Schüler mit Hauptschulempfehlung haben sogar das Abitur geschafft."
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