"Es ist unverzichtbar, alle Potenziale zu nutzen"
Mit dem "Kombimodell" macht die IHK die Ausbildung im Handel flexibler
Mit dem "Kombimodell" schafft die IHK ein neues Ausbildungsformat für den Handel, das die Ausbildung von allen Jugendlichen - insbesondere auch von Migranten - fördern soll. So sollen die Unternehmen künftige Fachkräfte gewinnen. Florian Kaiser (Referatsleiter Bildungsberatung und Bildungsprojekte der IHK für München und Oberbayern) erklärt das Modell im Interview mit Johannes Beetz.
"Wir wollen es ausweiten"
Für wen ist das neue Ausbildungsmodell gedacht? An welche jungen Leute richtet es sich, in welchen Branchen ist es geplant, welche Unternehmen können mitmachen? Ist es nur an bestimmten Berufsschulen belegbar?
Florian Kaiser: Das „Kombimodell“ ist ein attraktives Angebot für Ausbildungsbetriebe und Jugendliche: Das neue Ausbildungsformat richtet sich an alle Schüler*innen, die Interesse an einer Ausbildung im Verkauf haben, aber für eine erfolgreiche Ausbildung mehr Zeit und Unterstützung brauchen. Zum anderen ist es für alle Ausbildungsbetriebe im Handel bestimmt, die ihr Fachkräftepotenzial langfristig sichern wollen.
Dazu starten wir In Kooperation mit dem Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München und dem Handelsverband Bayern gerade einen Piloten in München. Das neue Ausbildungsformat wird daher zunächst nur an der Städtischen Berufsschule für den Einzelhandel München Mitte angeboten. In den nächsten Jahren wollen wir das Angebot aber auf weitere Regionen und Branchen ausweiten.
"Extra-Tag bietet Chancen"
Was wird beim Kombimodell eigentlich kombiniert? Wie läuft die Ausbildung hier konkret im Vergleich zur normalen“ Ausbildung ab? Was ist für die Azubis anders?
Florian Kaiser: Es wird ein Plus an Ausbildungszeit mit mehr Förderung an der Berufsschule kombiniert. Dies ist in der aktuellen Lage der Corona-Pandemie und ihren Folgen für die Ausbildung wichtiger denn je. Azubis im Ausbildungsformat „Kombimodel“ gehen einen zusätzlichen Tag in der Woche in die Berufsschule. Dieser Extra-Tag bietet die Chance, Wissenslücken direkt in der Schulzeit zu schließen statt in zusätzlichen Nachhilfe-Terminen am Abend oder am Wochenende.
Ein weiterer Pluspunkt sind die kleineren Lerneinheiten in der Kombiklasse, die so Schritt für Schritt zu Lernerfolgen führen. Durch diese Kombination verändert sich auch die Ausbildungszeit zum / zur Verkäufer*in: Statt 2 Jahre gehen Jugendliche im Kombimodell 2,5 Jahre in die Ausbildung. Bei guten Leistungen in Schule und Betrieb gibt es jedoch die Möglichkeit, in die Regelausbildung zu wechseln.
"Abbrüche verhindern"
In vielen Branchen ist der Fachkräftemangel längst zu spüren. Kann das Kombi-Modell da Lücken schließen helfen?
Florian Kaiser: Wir sind überzeugt, dass dieses Ausbildungsformat helfen kann, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Mit Blick auf den Fachkräftebedarf der Wirtschaft ist es unverzichtbar, alle Potenziale zu nutzen und alle Jugendlichen, die dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen, zu qualifizieren. Das Kombimodell bietet dabei die Chance, Ausbildungen flexibel zu gestalten und durch die ganzheitliche Förderung zu stabilisieren.
Unser Ziel ist es, von Anfang an Ausbildungsabbrüche zu verhindern damit Betriebe über die Ausbildung ihre Fachkräfte erfolgreich gewinnen können. Derzeit haben wir die Situation, dass Jeder vierte Azubi im Verkauf seine Abschlussprüfung wiederholen muss.
"Es ist schwerer geworden, zusammenzufinden"
Die Ausbildung – in Schule und Betrieb – läuft in Corona-Zeiten oft etwas „holpriger“ und fühlt sich für viele Jugendliche unsicherer an. Schmälert Corona die Perspektiven für Azubis? Kann das Kombi-Modell solche Unwägbarkeiten auffangen?
Florian Kaiser: Das Engagement in der Ausbildung ist bei den Betrieben weiterhin hoch. Aber für Unternehmen und Jugendliche ist es durch die Pandemie ungleich schwerer geworden, zusammenzufinden. Die Möglichkeiten, sich beispielsweise über Ausbildungsmessen und vor allem Praktika über Berufe zu informieren und sich gegenseitig kennenzulernen, sind seit mehr als einem Jahr so gut wie nicht mehr vorhanden. Durch die vielen Monaten des Lernens im Home-Schooling wächst zugleich die Unsicherheit, wie gut vorbereitet die Schulabgänger auf die Anforderungen einer Ausbildung sind. Hier ist das Kombimodell ein guter Weg, um Wissenslücken aufarbeiten zu können und durch Erfolge in Schule und Betrieb motiviert durch die Ausbildung zu kommen.
"64 Azubis mit Erfolg abgeschlossen"
Das Kombi-Modell läuft ja schon in anderen Regionen. Wie sind denn dort die Erfahrungen mit diesem Modell?
Florian Kaiser: In Coburg wird das Kombimodell bereits seit 2016 erfolgreich in den Ausbildungsberufen der Metalltechnik und im Beruf des Fachlageristen angeboten. Inzwischen haben dort insgesamt 64 Azubis ihre Ausbildung im Kombimodell durchlaufen und mit Erfolg abgeschlossen, viele von ihnen sogar mit der Note 1.
"Wir bringen sie zusammen"
Wenn ich mich als Jugendlicher oder als Betrieb für das Kombimodell interessiere: An wen wende ich mich?
Florian Kaiser: An das Integrationsteam der IHK für München und Oberbayern. Wir beraten sowohl Ausbildungsbetriebe als auch Jugendliche, die sich für eine Ausbildung als Verkäufer*in interessieren. Außerdem bringen wir Unternehmen, die noch Azubis im Verkauf suchen und Jugendliche zusammen.
Kontakt:
Integrationsteam der IHK für München und Oberbayern
Tel. 089 5116-0
Mail: integration@muenchen.ihk.de
www.ihk-muenchen.de/kombimodell
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH