"Er läuft auf die Straße!"
Von einer Rettungsaktion und ihren Folgen

Von der befahrenen Straße geholt: Im Handtuch fühlte sich der Igel bald wohl. (Foto: eis)
Kaum ein Wochenende vergeht, ohne dass mein Partner und ich eine Wanderung im Münchner Umland unternehmen. Wir lieben die heimische Natur und ihre Wildtiere und halten stets Augen und Ohren offen – vielleicht sieht man ja ein Eichhörnchen oder ein Wildkaninchen. Vergangene Woche erblickten wir auf dem Nachhauseweg tatsächlich ein Wildtier – mitten in der Stadt, am Bordstein einer befahrernen Straße umherirrend!
"Ein Igel!", rief ich in Panik und zeigte auf das Tier. "Er läuft gleich auf die Straße!" Mein Partner reagierte schnell, blickte sich nach heranfahrenden Autos um und manövrierte das ängstliche Tier sicher ins nächste Gebüsch, während ich ein Handtuch aus dem Rucksack holte. Uns war klar: So nah an der Straße konnten wir den Igel nicht lassen. Also fischten wir ihn vorsichtig aus dem Gebüsch und brachten ihn einige huntert Meter weiter in den nahegelegenen Westpark. Im Handtuch schien sich das Tier bald richtig wohl zu fühlen und blinzelte interessiert hervor.
Zugegeben, die Versuchung war groß ihn einfach mit nach Hause zu nehmen. Aber er sah kerngesund aus, war warm und schien auch ordentlich Gewicht auf den Rippen zu haben. Es bestand keine Not. So setzten wir ihn im sicheren Westpark wieder ab und beobachteten, wie er fröhlich weiterzog und sein Revier markierte. Dieser Vorfall machte mich nachdenklich. Wann benötigt ein Igel denn wirklich Hilfe?
"Nicht vorschnell handeln!"
Rat gab mir Judith Brettmeister, Sprecherin des Tierschutzvereins München: "Im Oktober wird man Igeln häufiger begegnen. Sie sind auf der Futtersuche, um sich Speck für den Winterschlaf anzufressen und legen dabei täglich bis zu vier Kilometer zurück", erklärte sie mir. "Bis Ende November sollten gesunde Igel mindestens 600 Gramm wiegen, um aus eigener Kraft durch den Winter zu kommen. Tierfreunde mit Garten bitten wir, ein paar Laub- oder Reisighaufen stehen zu lassen, um den Tieren ein Winterquartier zu bieten. Gesunde Jungigel können auch gerne mit Igel- oder Katzenfutter zugefüttert werden, so überstehen sie den Winter sicherer. Hilfe benötigen nur kranke Igel, daher niemals vorschnell handeln und gefundene Tiere mit nach Hause nehmen! Als Notsituation gilt, wenn das nachtaktive Tier am hellichten Tag herumläuft, verletzt ist, unter starkem Parasitenbefall leidet, verwaist, zu schwach bzw. untergewichtig ist. In diesen Fällen sollte man tatsächlich eingreifen. Wichtig ist, das Tier warm zu halten (Rotlichtlampe, nicht zu heiße Wärmflasche im Handtuch). Bitte keine Milch, sondern nur Wasser oder verdünnten Fencheltee anbieten. Viele nützliche Tipps und ausführliche Infos findet man unter www.pro-igel.de im Internet und auch unsere Wildtierpfleger geben unter der Telefonnummer 0174-7729600 gerne weitere Auskunft."
Und was haben mein Partner und ich aus dieser Rettungsaktion gelernt? Ab Oktober sollte man stets ein Igel-Rettungskit, also ein Handtuch dabei haben. Die Telefonnummer der Wildtierstation habe ich jedenfalls gleich mal ins Handy eingespeichert.
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