"Einfach in die Runde lächeln"
Wann fühlen wir uns glücklich und wie wollen wir Glück erreichen?
Es war einmal ...
Hans erhält als Lohn für sieben Jahre Arbeit einen Klumpen Gold. Diesen tauscht er auf dem Heimweg gegen ein Pferd, dieses gegen eine Kuh, diese gegen ein Schwein, dieses gegen eine Gans, diese gegen einen Schleifstein - den er verliert. Am Ende seines Wegs ist er glücklich, nicht mehr schwer tragen zu müssen. Die Kette materieller Verluste durch unvorteilhafte Tauschaktionen macht Hans nicht arm, sondern
befreit ihn und lässt ihn glücklich zuhause ankommen.
Hans im Glück erzählt, wie man zu sich selbst findet.
Was ist Glück?
"Was ist Glück?" Das war die Eingangsfrage über die im Sommergespräch die Teilnehmer angeregt diskutierten. Dem Thema lag das Märchen "Hans im Glück" zugrunde. Diesmal waren die Wochenanzeiger zu Gast bei einem neuen Veranstaltungsort: der Kinder- und Jugendeinrichtung "Trafixx" an der Baierbrunner Straße 57 in Obersendling. Vor kurzem ist das vom Verein Feierwerk betriebene Jugendzentrum eröffnet worden. Angesichts der liebevoll zubereiteten Brotzeit waren sich die Teilnehmer in Einem absolut einig: Glück braucht nicht immer etwas "Großes" zu sein. Glück kann auch ein reichhaltig gedeckter Tisch sein.
Zwiespältige Gefühle
Das Märchen "Hans im Glück" hat bei den Gesprächsteilnehmern zwiespältige Gefühle ausgelöst. Petra Reiter stieg gleich in die Diskussion ein. Sie setzt sich in ihrer Stiftung "Bunte Münchner Kindl" dafür ein, dass Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit hochwertigem Schulmaterial ausgestattet werden. "Im ersten Moment habe ich den Hans nicht verstanden – immer dieser schlechte Tausch", gab sie zu. Letztendlich habe er sich aber richtig verhalten, indem er aus seinen empfundenen Notsituationen das Beste gemacht habe. "Dann hat er Glück verspürt." Petra Reiter zog Parallelen zu den von der Stiftung beschenkten Kindern. "Jedes einzelne Kind bringt sein Schicksal mit und doch können alle über einfache Dinge glücklich sein". Dabei würden sich die Kinder gar nicht so sehr über die materiellen Werte ihrer Geschenke freuen, sondern sie seien "glücklich, dass sie endlich das Gleiche wie die anderen haben und dazugehören". Glück, so Petra Reister, sei für sie, "wenn man aus einer Notsituation kommt und Perspektiven hat, dass sich etwas zum Guten wendet".
Dem Glück nachhelfen
Für Christoph Frey ist der Begriff "Glück" eng mit Kindern verbunden. "Für mich ist Glück tatsächlich das Glück der Kinder". Es gebe leider viele Faktoren im Alltag der Kleinen, die das Glück verhinderten. "Da haben wir die gesellschaftliche Aufgabe, dem Glück nachzuhelfen". Mit einem Blick auf den reichhaltig gedeckten Frühstückstisch des Sommergesprächs meinte Frey, man könne beispielsweise in den Schulen für eine gesunde Ernährung der Schüler sorgen.
Es seien nicht immer materielle Dinge, die fehlten, warf Petra Reiter ein. "Oft fehlt es den Kindern an persönlicher Zuwendung." Hans-Hermann Weinen gab ein Beispiel aus seinem Alltag: Wenn sich eine Jugendgruppe treffe, "dann sind Schule, Klamotten, Handy erst mal kein Thema", sondern die Person an sich. Glück könne sein, "wenn die Susi neben mir hockt, die ich total toll finde". Für die Jugendlichen sei es pures Glück, in der Gruppe entscheiden zu können, was man wolle; festzustellen, was man könne und was einen ausmache. Das komme zwischen Musikunterricht und Tennisstunde oft zu kurz.
Einfach den Tag genießen
Atreju Budde war mit seinen 19 Jahren der Jüngste in der Runde. Nach der Berufsvorbereitung im Bildungswerk ICP möchte er im nächsten Jahr eine kaufmännische Ausbildung beginnen. Was das Thema Glück betrifft, so hat der junge Mann die Tischrunde mit seinen reflektierten Aussagen beeindruckt. "Für mich ist Glück, wenn man gesund ist, gute Freunde hat, wenn man sich wohlfühlt." Einfach den Tag genießen, sich über Sonnenschein freuen, das könne so viel mehr wert sein als der "Goldklumpen" vom Hans im Märchen, der zum Ballast werden könnte. Glück sei aber auch "Freiheit". "Ich bin gerne mit meinem Elektrorollstuhl unterwegs. Da bin ich unabhängig und auf keinen angewiesen" – so wie der Hans im Glück, der sich am Schluss von allem befreit hatte.
So weit wie Atreju Budde waren die Schüler von Berufsschullehrer Jan Lau noch nicht. Um sich auf das Gespräch vorzubereiten, hatte er seine Klassen zum Thema "Glück" diskutieren lassen. "Keiner meiner Schüler ist auf Gesundheit gekommen. Viele wollten ein "dickes Auto", "Kohle verdienen", wunderte sich Lau.
Musik und Kunst als Hauptfach
"Man darf Glück nicht von materiellen Dingen abhängig machen", mahnte Petra Reiter. "Wenn man beim Glück der anderen ein bisschen nachhelfen darf, dann macht das auch glücklich." Für Lau würde sogar ein geänderter Lehrplan für glückliche Menschen sorgen. Da müssten die Hauptfächer "Sport, Ethik, Musik und Kunst" heißen und Noten dürfte es keine geben, vor allem keine schlechten: "Bewertung ist etwas, das Glück und Freude rauben kann".
Glück braucht Zeit
Ingeborg Liebhaber, Bereichsleiterin Arbeitsvermittlung bei der Agentur für Arbeit München zitierte zwei Sinnsprüche ihrer Großmutter: "Geben ist seliger als Nehmen" und "Nur wer gibt, der kriegt". Für sie sei Glück überhaupt nicht mit Materiellem verbunden. "Freude an der Arbeit, das macht mich glücklich". Ihr sei es durch ein Projekt gelungen, ehemalige Lastwagenfahrer zu Busfahrern umzuschulen und wieder in Lohn und Brot zu bringen. "Da waren die Arbeitgeber, die dringend Fahrer gesucht haben, glücklich und die Arbeitnehmer auch." Jetzt plant sie ein ähnliches Projekt, in dem ehemalige Arbeitnehmer aus dem Gesundheitsbereich eine neue Perspektive bekommen sollen. Dies freute besonders Christoph Frey. Er kennt aus seiner Arbeit viele Menschen in sozialen Berufen, die nur dank eines weiteren Nebenjobs existieren können. "Der Überlebenskampf wird bezahlt mit Zeit, die dann fehlt, um beispielsweise den Kindern vorzulesen." Als Ausweg könnten gebührenfreie Kitas helfen. "Wenn einer dadurch seinen Nebenjob streichen könnte und mehr Zeit hat, um das Glück mit seinen Kindern zu erfahren, dann haben wir sehr viel gewonnen."
Kann man Glück lernen?
Glück sei eine Frage der Einstellung und kein Automatismus, war sich Jan Lau sicher. Häufig habe er bereits über die Frage "kann man Glück lernen?" gegrübelt. "Glück zu erfahren ist eine Frage der Selbstdisziplin, der Eigenorganisation", lautet seine Überzeugung. Und er hatte einen Praxistipp aus einem Buch mitgebracht. So sollte man mehrere kleine Ziele haben, die man parallel zu erreichen sucht. "Sobald ich den Zenith überschritten und ein Ziel erreicht habe, falle ich in ein Loch, da ist es gut, wenn noch etwas anderes da ist."
Liebhaber fügte ihren persönlichen Glückstipp hinzu. Ihrer Meinung nach ist "Glück" ansteckend. "Wenn ich lächelnd durch München gehe, bekomme ich viele freundliche Blicke zurück und die Menschen sprechen mich an. Das sollte jeder einmal ausprobieren – einfach in die Runde lächeln." Auf die Idee ist sie nach einem Urlaub in Nepal gekommen. "Obwohl das eines der ärmsten Länder der Welt ist, habe ich noch nie so viele glückliche Gesichter gesehen." Quasi als Schlusswort gab sie einen weiteren Glückstipp. Sie versuche auf negative Gefühle wie Neid und Kampf mit Liebe zu reagieren: "Die Hand zu reichen, ist das einzige Mittel, das hilft."
Eine märchenhafte Frage
"Wer hat Ihnen Märchen erzählt oder vorgelesen?" Unsere Gäste antworteten:
Atreju Budde: "Meine Oma hat mir Märchen vorgelesen. Zu ihr hatte ich immer ein gutes Verhältnis."
Christoph Frey: "Vor allem meine Mutter hat mir vorgelesen, wobei ich nie so ein romantischer Vertreter von Märchen war. Ich habe das alles nie so geglaubt."
Jan Lau: "Märchen haben mir meine Eltern vorgelesen. Ich kann mich noch an das dicke russische Märchenbuch erinnern. Am spektakulärsten war es aber, als mein Vater mit meinem Bruder und mir selbst Märchen erfunden hat."
Ingeborg Liebhaber: "Mir hat keiner Märchen vorgelesen. Es gab einfach zu viel Arbeit zuhause. Aber ich habe Märchenbücher zu Weihnachten geschenkt bekommen, die ich selbst gelesen habe."
Petra Reiter: "Ich kann mich gar nicht erinnern, dass man mir Märchen vorgelesen hätte. Ich habe das im Teenageralter nachgeholt und viele, viele Märchen gelesen."
Hans-Hermann Weinen: "Ich habe Märchenkassetten gehört, die uns unsere Eltern geschenkt haben und dann gab es eine Phase, als ich in der ehrenamtlichen Jugendarbeit Indianermärchen vorgelesen habe. Die waren furchtbar spannend. An die kann ich mich noch heute erinnern."
Unsere Gäste
Bei unserem Sommergespräch diskutierten:
Atreju Budde (Auszubildender im Berufsbildungswerk des ICP)
Christoph Frey (Geschäftsführer Arbeiterwohlfahrt München-Stadt)
Jan Lau (Ausbilder im Berufsbildungswerk des ICP)
Ingeborg Liebhaber (Bereichsleiterin Arbeitsvermittlung, Agentur für Arbeit München)
Petra Reiter (Stiftung Bunte Münchner Kindl)
Hans-Hermann Weinen (Jugendreferent Herrsching)
Was denken Sie?
Welche Meinung vertreten Sie? Diskutieren Sie mit! Schreiben Sie uns: Münchner Wochenanzeiger, Redaktion, Fürstenrieder Str. 5-9, 80687 München, leser@muenchenweit.de. Wir veröffentlichen Ihren Standpunkt (nur mit Ihrem Namen).
Unsere Sommergespräche
Alle unsere Sommermärchen finden Sie online hier: www.mehr-wissen-id.de (Nr. 2506).
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH