„Ein fester Teil der Familie“
Rahmatullah fand in München Zuflucht
Als im Herbst 2015 tausende Menschen aus den Krisengebieten Afghanistan, Eritrea oder Syrien flohen, machten sich viele Münchner bereit, um zu helfen. Rasch entstanden Helferkreise, um anzupacken, wo es Not tat. Und heute? Viele Nachbarn engagieren sich auch jetzt noch ausdauernd. „Zur Zeit arbeiten ca. 60 Ehrenamtliche mit“, weiß Doris Ziegler vom Pfarrverband Laim, die sich gemeinsam mit Maria Hemmerlein, Günter Keller und Günther Sinapius vom Bezirksausschuss Sendling-Westpark um die Koordination der Helferkreise in der Hans-Thonauer-Straße und der Elsenheimerstraße kümmert. Nach wie vor gibt es Lerntreffs, Computerkurse, Hausaufgabenbetreuung, Hilfe bei Bewerbungen, Behördengängen und vieles mehr. Über die Jahre sind auch wertvolle Beziehungen gewachsen: „Seit 2015 sind viele Patenschaften und Freundschaften entstanden, manche sehr langfristig, einige auch als Unterstützung für eine bestimmte Zeit“, so Doris Ziegler. Freundschaft knüpften auch Uli Koller und Rahmatullah Tufan. Eine Freundschaft, die längst tiefe Wurzeln geschlagen hat: „Er ist für uns mittlerweile ein fester Teil der Familie, wie ein zweiter Sohn“, sagt Uli Koller.
„Die Nächstenliebe“
Geflüchteten zu helfen stand für Uli Koller außer Frage. „Die Nächstenliebe“ habe sie geleitet, „vor allem gegenüber Menschen, die in Not sind, benachteiligt sind und Hilfe brauchen.“ Sie ist aktiv in der katholischen Gemeinde St. Ulrich, engagiert sich hier unter anderem als Kirchenpflegerin. „Wir erfuhren, dass auch bald eine Flüchtlingsunterkunft nach Laim kommen würde und haben einen Helferkreis gegründet, in dem wir uns bestmöglich auf die Ankommenden vorbereitet haben.“ Im Deutschkurs, den Uli Koller ehrenamtlich gab, lernte sie auch den jungen, heute 26-jährigen Rahmatullah kennen. „Er war von Anfang als fleißiger Schüler dabei“, erinnert sich Uli Koller. Oft habe er jedoch auch bedrückt und belastet gewirkt. Bei den vom Helferkreis organisierten Freizeitaktivitäten verbrachten sie Zeit miteinander und lernten sich besser kennen: „Rahmatullah und ich führten viele gute Gespräche und irgendwann wurde daraus eine echte Freundschaft.“ Vieles hat Rahmatuallah in seinem jungen Leben schon erlebt, hat mit dem Weg nach Deutschland Risiken und Gefahren auf sich genommen.
„Wir hatten große Ängste“
Zwei jüngere Brüder und eine ältere Schwester sowie seine kranke Mutter ließ Rahmatullah in Afghanistan zurück. Die Erinnerung an seine Flucht bewegt: „Wir hatten große Ängste, etwa die riesige Angst, von der Polizei festgenommen und zurückgeschickt zu werden. Am schlimmsten war die Angst aber auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland in dem völlig überfüllten Schlauchboot - die totale Angst vor dem Ertrinken, weil die Wellen so hoch waren.“ Er erinnert die Kälte und Nässe, den Regen, dem die Fliehenden ohne wetterfeste Kleidung ausgesetzt waren. Rahmatullah landete am Ostbahnhof, wo er die erste Nacht im Untergeschoss des Bahnhofgebäudes verbrachte. Schließlich kam er in die Flüchtlingsunterkunft nach Laim und lernte Uli Koller kennen. Die deutsche Familie bot ihm die nötige innere Zuflucht: „Ich bin nicht mehr so alleine und sie hören mir zu, wenn ich Probleme habe oder es mir schlecht geht. Wir unternehmen viel, machen viele Ausflüge.“ Neben seiner Herkunftsfamilie kann er nun auch auf Uli und Heinz Koller als Eltern blicken und die Söhne Jörg, Dominik und Christoph zu seinen Brüdern zählen.
„Erst einmal meine Ausbildung abschließen“
Nach anfänglicher Ablehnung seines Asylantrags bekam Rahmatullah vor Gericht kürzlich seinen subsidiären Schutz anerkannt. Aktuell macht er seine Ausbildung als Lagerlogistiker, die er 2020 beenden will. Viel Grund zur Freude hat er sich inzwischen erkämpft. Die Gedanken an Zuhause aber bleiben: „Meine Familie vermisse ich sehr, meine Mama ist sehr krank und ich weiß nicht, ob ich sie jemals noch einmal sehen werde. Das ist oft ein schlimmes Gefühl“, sagt Rahmatullah. Seine Wünsche für die Zukunft sind bescheiden: „Ich möchte erst einmal meine Ausbildung erfolgreich abschließen. Wenn ich dann auf eigenen Füßen stehe, würde ich gerne eine kleine Familie gründen. Und natürlich wünsche ich mir nichts mehr, als meine Familie doch irgendwann einmal wiederzusehen.“
Spenden
Damit Geflüchtete fair für ihre Aufenthaltsgenehmigung eintreten können, benötigen sie oft Rechtsbeistand. Wer mit seiner Spende unterstützen will, kann dies unter dem Spendenkonto:
Pfarrverband Laim, LIGA BANK, IBAN: DE 35 7509 0300 0002 2216 67, Stichwort: Flüchtlingsarbeit im Pfarrverband Laim. Ehrenamtliche sind stets willkommen. Kontakt unter E-Mail: HK-Elsenheimer@t-online. „Wir freuen uns über jedwede Unterstützung und haben verschiedene, auch zeitlich flexible, Konzepte“, sagt Doris Ziegler.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH