Die Weichen sind gestellt
Stadtrat macht Weg für Post frei
Der Stadtrat Germering hat diese Woche endgültig die Weichen für das sogenannte Briefverteilzentrum der Deutschen Post AG gestellt. Konkret votierten die Mitglieder des Gremiums mehrheitlich für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan sowie für die Änderung des Flächennutzungsplans. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um das Projekt zu realisieren.
"Es hat sich gelohnt"
"Seit rund zwei Jahren haben wir uns als gewählte Stadträtinnen und Stadträte intensiv mit allen Details des Projekts befasst und die Argumente dafür und dagegen umfänglich abgewogen", erklärte dazu der Fraktionsvorsitzende der CSU, Oliver Simon, "die Bürgerinnen und Bürger wurden in diese Entscheidungsfindung von Anfang an mit einbezogen und konnten ihre Anregungen einbringen. Auch innerhalb der im Stadtrat vertretenen Parteien wurde kontrovers diskutiert. Heute können wir sagen: Diese Diskussionen haben sich gelohnt. Wir haben uns als Stadtrat mit unseren hohen Anforderungen auch gegenüber der Post durchgesetzt."
Germering werde ein Projekt erhalten, das nicht nur Arbeitsplätze schafft und signifikante Steuereinnahmen generiert, sondern auch in ökologischer Sicht neue Maßstäbe für eine innovative und nachhaltige Gewerbeansiedlung setzt, so Simon. "Mir ist es wichtig zu betonen: Wir können nachvollziehen, dass die Debatte teilweise hitzig verlaufen ist – schließlich geht es um ein für unsere Stadt wichtiges Projekt", sagte er. Jedoch sollte es keine Zweifel geben, dass alle Entscheidungen rechtlich korrekt und unter Beachtung der vorgesehenen demokratischen Verfahren getroffen wurden. "Ich hoffe, das können jetzt alle auch akzeptieren und respektieren!“, so Simon.
"Nicht gut für Germering"
"Der Umzug der Post nach Germering ist nicht gut für Germering, sondern nur für die Post, die dadurch ihr bestehendes Gelände mitten in München teuer verkaufen kann. Dem Germeringer Gewerbe hingegen werden durch den Flächenverbrauch wichtige Entwicklungsmöglichkeiten genommen", erklärte dagegen Daniel Liebetruth, Fraktionssprecher der SPD im Stadtrat.
Mit dem Briefverteilzentrum hole man sich die kränkelnde Sparte der Deutschen Post AG nach Germering, denn es werden immer weniger Briefe verschickt. Es sei daher schon jetzt mit massivem Arbeitsplatzabbau zu rechnen. Der überwiegende Anteil der Arbeitsplätze sei ohnehin nur in Teilzeit vorgesehen. "Durch den Lieferverkehr mit 1.000 Fahrten täglich ist auf der B2 ein Verkehrskollaps zu befürchten, denn die Straße gehört laut Verkehrsgutachten schon jetzt zur schlechtesten Kategorie F. Das entspricht in der Schule der Note 6", so Liebetruth. "Die Bedenken in der Bevölkerung sind zurecht groß und der Umgang von CSU und FW mit dem in zwei Bürgerbegehren erklärten Bürgerwillen ist beschämend, denn es hätte zu einem Bürgerentscheid an der Urne kommen müssen."
"Schade, dass kein Bürgerentscheid kam"
"Das Projekt ist und bleibt für mich ein Fehler in Anbetracht von Umwelt, Verkehr und Flächenversiegelung", meint Tanja Pfisterer, Fraktionsvorsitzende ÖDP / Parteifreie im Stadtrat. "Vor allem finde ich es schade, dass es zu keinem Bürgerentscheid gekommen ist. Mich hätte hier sehr die unmittelbare Meinung der BürgerInnen in dieser Sache interessiert." Hierzu gebe es aber eben unterschiedliche Meinungen im Stadtrat, die man in einer Demokratie auch aushalten müsse. "Deswegen bleibe ich gespannt, was man in einigen Jahren darüber denkt und zitiere hier den Kollegen Simon (CSU): 'Wir werden uns alle später mal mit unserem Votum messen lassen müssen.'"
"Wir schätzen den Mehrwert positiv ein"
"Mit dem Briefverteilungszentrum beschäftigen sich Stadtrat und Bürgerinnen und Bürger seit über zwei Jahren. In dieser Zeit sind viele Anregungen, Wünsche und Bedenken von allen geäußert und besprochen worden. Diese Einwände hat der Investor sehr ernst genommen und diese haben bereits im Vorfeld für Änderungs- und Verbesserungsvorschläge für das Bauvorhaben geführt", sagt Martina Seeholzer, Fraktionssprecherin der Freien Wähler im Stadtrat. Als Beispiele hierfür nennt sie Maßnahmen, die im Gewerbebau zukunftsweisend sein werden:
- erheblich geringerer Flächenverbrauch als ursprünglich geplant und zulässig,
- Gebäudeaufteilung und Gestaltung,
- Begrünung von Dach und Außenflächen usw.
"In unserer Fraktion der Freien Wähler Germering schätzen wir den Mehrwert des Briefverteilungszentrums für Germering gerade jetzt und auch weiterhin positiv ein. Germerings Ansehen als lebenswerte und dynamische Stadt soll bleiben und das Vertrauen für Investoren weiterhin Bestand haben", so Seeholzer.
Nur so können man auch für die Einnahmenseite unserer Stadt sorgen:
- mit wohnortnahen Arbeitsplatzmöglichkeiten bei einem zuverlässigen tarifgebundenen Arbeitgeber
- weiteren Gewerbesteuer- und Einkommensteuereinnahmen.
"Schließlich genießen wir alle die auf hohem Niveau stehende Infrastruktur in Germering wie Bäder, Stadthalle, soziale Einrichtungen für Jung und Alt, zeitgemäß ausgestattete Grund- und Mittelschulen sowie KiTas und gut ausgebaute Ortsstraßen", unterstreicht Seeholzer.
"Ich halte es für einen schweren Fehler"
"Dass jetzt mehrheitlich die endgültige Entscheidung zur Ansiedlung getroffen wurde, halte ich für einen schweren Fehler", erklärt Agnes Dürr, Fraktionssprecherin Bündnis 90 / Die Grünen im Stadtrat. "Die letzten Wochen haben gezeigt, dass sehr viele Bürger*innen für einen Bürgerentscheid zu diesem überaus großen Projekt eintreten. Ja es ist richtig, dass den Organisator*innen des (1.) Bürgerbegehrens Fehler unterlaufen sind, die es aus formalen und materiellen Gründen unmöglich gemacht haben, das Bürgerbegehren als zulässig zu erklären. Es ist aber unbestritten, dass sich 2.301 Wahlberechtigte mit ihrer Unterschrift dafür ausgesprochen haben, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Für ein neues Bürgerbegehren haben Frau Greiff und ihre Mitstreiter*innen innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne wieder 1.400 Unterschriften gesammelt. Die Bürgerinitiative hat deshalb um zwei Wochen Fristverlängerung gebeten." Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen habe deshalb den Antrag gestellt, die entsprechenden Tagesordnungspunkte abzusetzen und somit die Entscheidung zu vertagen. "Diesem Antrag zu entsprechen wäre die einmalige Chance gewesen, den Bürger*innen zu zeigen, dass ihr Engagement anerkannt wird und sie in wichtige Entscheidungen einbezogen werden", so Dürr.
"Der Erfolg ist ungewiss"
"Das Projekt ist bekanntlich bei den Germeringer Bürgern sehr umstritten", erinnert Dr. Peter Klotz, FDP-Stadtrat in Germering. "Eine Bürgerinitiative sammelte 2.301 Stimmen für ein Bürgerbegehren zum Briefverteilzentrum in Germering. Das Quorum war formell erreicht, doch das Bürgerbegehren konnte aus formalistischen Gründen nicht durchgeführt werden. Die 'alternative Idee' eines sog. Ratsbegehrens, gefordert von drei Fraktionen des Germeringer Stadtrats wurde aufgrund der Mehrheit von zwei anderen Fraktionen im Stadtrat nicht ermöglicht. Es stimmte dann die faktische Mehrheit dieser zwei Fraktionen im Stadtrat für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan bei Gegenstimmen von vier anderen Fraktionen. Die Änderung des Flächennutzungsplans bzgl. des Briefverteilverteilzentrums wurde mit der Mehrheit von drei Fraktionen positiv abgestimmt. Das Projekt als solches darf gewiss aufgrund seiner enormen Größe als 'Mammutprojekt' bezeichnet werden, dessen Erfolg genauso ungewiss ist wie die Auswirkungen des Vorhabens auf die Germeringer Verkehrssituation. Wir alle können nicht in die Zukunft sehen, letztlich entscheiden aber Mehrheiten in den zuständigen Gremien, hier im Stadtrat. Das müssen wir als gute Demokraten akzeptieren."
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