"Dazu müssen alle ihren Teil beitragen“
OB Reiter fordert Änderungen im Baugesetzbuch, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen
"Seit 1950 haben sich die Baulandpreise in München um 39.000 Prozent gesteigert. Diese enormen Steigerungen sorgen für ständig steigende Mieten in unserer Stadt. Das kann so nicht weitergehen", sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Damit Bodenwertsteigerungen künftig der Allgemeinheit zugutekommen können, hat Reiter konkrete Vorschläge in die Diskussion eingebracht:
Bundesgesetz anpassen
Der Wert eines Grundstücks steigt durch ein gutes Angebot an Verkehrsinfrastruktur, Schulen und Universitäten, Kultureinrichtungen und guter Gesundheitsvorsorge in der Nähe. Diese Infrastruktur werde von der Allgemeinheit finanziert und deshalb müsse der Wertzuwachs der Grundstücke auch an die Gemeinschaft zurückgehen, fordert Reiter. Er drängt darauf, eine entsprechende Regelung im Bundesgesetz zu verankern.
Zu "bezahlbar" verpflichten
Gemeinden sollen die Möglichkeit zu bekommen, die Bauherren in ihrem gesamten Gebiet zum Bau von bezahlbaren Wohnungen verpflichten zu können - auch dort, wo es keinen Bebauungsplan gibt. Dazu müsste das Baugesetzbuch (§ 34) geändert werden.
Geförderte Wohnungen erzwingen
Es sollte künftig möglich sein, mit einem Bebauungsplan zwingend den Bau von geförderten Wohnungen festzusetzen. Dazu müsste in der Baunutzungsverordnung die neue kategorie "geförderter Wohnungsbau“ eingeführt werden (bislang gibt es nur die allgemeine Nutzungsart „Wohnungsbau“). Diese Änderung würde den Kommunen eine deutlich bessere Verhandlungsposition gegenüber privaten Investoren verschaffen, argumentiert Reiter.
Münchens Oberbürgermeister hat diese Vorschläge nach einem Treffen gemacht, an dem u.a.der Vorsitzende der Baulandkommission des Bundes, Marco Wanderwitz, MdB Claudia Tausend und Alt-OB Hans-Jochen Vogel teilnahmen. „Ich habe nochmals deutlich gemacht, dass der Bund Änderungen im Baugesetzbuch vornehmen muss, damit das Angebot an sozialem und bezahlbarem Wohnraum erheblich vergrößert wird", so Reiter. "Dazu müssen alle, auch private Grundbesitzer, ihren Teil beitragen.“
Wirksame Instrumente schaffen
Der Endlosspirale steigender Mieten und Wohnungspreise, vor allem in den Ballungsgebieten, müssten auf allen Ebenen wirksame Instrumente entgegengesetzt werden. Darüber herrschte grundsätzliche Einigkeit zwischen Oberbürgermeister Reiter, Alt-OB Dr. Vogel und den Bundespolitikern. Laut aktuellem Mietspiegel sind in München die Durchschnittsmieten erneut gestiegen (um 4,1 Prozent gegenüber 2017). Auch der Mietwohnungsmarkt bleibt angespannt. Die bisher in München eingeleiteten Maßnahmen wie beispielsweise die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) seien alle wichtig, konnten aber einen wesentlichen Faktor nicht entscheidend beeinflussen: die Entwicklung der Bodenpreise.
Wien als Vorbild
Von Alt-OB Dr. Vogel und OB Reiter wurde in diesem Zusammenhang auf das Beispiel Wien verwiesen. Dort wurde Ende 2018 eine neue Bauordnung erlassen. Diese sieht vor, dass in bestimmten Gebieten auf zwei Dritteln des Bauplatzes geförderte Wohnungen mit einer Kaltmiete von maximal fünf Euro entstehen müssen. Ohne eine Deckelung der Bodenpreise sind solche Mieten aber nicht realisierbar und finanzierbar. Das Land Wien hat deshalb Bodenspekulanten den Kampf angesagt und festgelegt, dass in diesen Wohnlagen die Grundstückskosten maximal 188 Euro pro Quadratmeter betragen dürfen. „Es ist wichtig, dass die Kommission auch solche Ideen in die Überlegungen für bezahlbaren Wohnraum mit aufnimmt. Ich habe mich gefreut zu hören, dass auf Bundesebene bereits geprüft wird, ob und wie ein solches Instrument auch im deutschen Baurecht realisiert werden könnte", so Reiter dazu. Eines ist für ihn klar: "Ohne dass wir die Bodenpreise deckeln, wird es uns letztlich nicht gelingen, für deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum in den Großstädten zu sorgen."
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