Chance für eine bessere Zukunft
Mutter-Kind-Häuser für wohnungslose junge Mütter
Wohnungsnot – in der Weltstadt mit Herz ein trauriger Dauerbrenner. Auch in den letzten Jahren hat die Zahl wohnungsloser Menschen stark zugenommen: Laut Sozialreferat der Stadt München stieg sie von 2.466 Betroffenen im Jahr 2008 auf derzeit mehr als 8.600. Hinzugerechnet müssen noch all diejenigen werden, die in Einrichtungen der Langzeit- und Übergangshilfe wohnen. Damit kommt man auf rund 10.000 Wohnungslose in München, darunter derzeit 1.700 Kinder. „Viel zu viele“, sagt Sandra Dlugosch, Bereichsleitung für Kinder- und Jugendhilfe, Mutter-Kind-Bereich beim Sozialdienst katholischer Frauen München (SkF). Obwohl in München niemand unter der Brücke schlafen muss, wirken sich Notquartiere, Beherbergungsbetriebe und Clearinghäuser nicht sehr positiv auf die kindliche Entwicklung aus. Gerade Kinder leiden besonders darunter, wenn sie kein stabiles Zuhause haben und mit ihren oftmals überforderten, alleinerziehenden Müttern von einer Unterkunft in die nächste ziehen müssen.
Gemeinsam gegen Wohnungsnot
„München hat eine Unterbringungspflicht, was funktioniert. Ein Beispiel dafür ist der Kälteschutz in der Bayernkaserne“, erklärt Simone Ortner, Bereichsleitung für Wohnungslosenhilfe. Doch das Engagement müsse weiter verstärkt werden. Nur so könne gewährleistet werden, dass die wachsende Zahl an Wohnungslosen weiterhin in Beherbergungsbetrieben untergebracht werden kann. Um diese Probleme gemeinsam anzupacken, wurde 2016 das Münchner Netzwerk Wohnungslosenhilfe gegründet, zu dem unter anderem der SkF gehört.
Die Initiative, mit Petra Reiter als Schirmherrin, macht auf die Probleme aufmerksam und gibt den wohnungslosen Frauen, Männern und Familien in der Öffentlichkeit eine Stimme. Eines der Themen, womit sich das Netzwerk beschäftigt, ist die Situation der Schwangeren und alleinerziehenden jungen Mütter, oft mit Migrationshintergrund und ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Sie haben es besonders schwer, bezahlbaren Wohnraum in München zu finden. Die Häuser für Frauenobdach und andere Hilfeeinrichtungen können viele Frauen aufgrund der hohen Nachfrage oft nicht mehr aufnehmen.
Wohnraumvermittlung oberstes Ziel
Für die Wohnungslosenhilfe ist die Weitervermittlung von Wohnraum das vorrangige Ziel. Oft dauert es ein halbes bis ein Jahr, bis Wohnraum gefunden wird – in Anbetracht des Wohnungsmangels eine gute und schnelle Vermittlung aus Sicht der Wohnungslosenhilfe. „Aus Sicht eines Kindes ist das allerdings eine lange Zeit unter oft schwierigen Bedingungen“, gibt Sandra Dlugosch zu bedenken, „und es fühlt sich für ein Kind weniger wie eine Übergangslösung, sondern mehr wie ein Dauerzustand an. Das Kind gewöhnt sich an die Umstände und muss dann wieder sein 'Zuhause' aufgeben, um in ein neues Umfeld zu ziehen." In den Mutter-Kind-Häusern bleiben die Mütter mit ihren Kindern länger – im Schnitt vier Jahre – und in der Regel auch zu besseren Bedingungen. Für die Kinder ist dann auch klar, dass dies nun für eine längere Zeit ihr Zuhause sein wird. „Gerade für Kinder ist Stabilität wichtig“, so Sandra Dlugosch, „deshalb schauen wir, dass für Mütter gute Übergangsmöglichkeiten geschaffen werden.“
Start in eine bessere Zukunft
Die Frauen werden entweder über das Wohnungsamt oder das Haus an der Verdistraße für Wohnungslose an die Mutter-Kind-Häuser vom SkF vermittelt oder sie bewerben sich direkt. Wer einen Platz in einem der begehrten Häuser bekommt, hat Glück: Auf eine Wohnung kommen etwa drei bis sechs Anfragen. Die Einrichtungen bilden eine Schnittstelle zwischen Jugend- und Wohnungslosenhilfe. Sie bieten Wohnmöglichkeiten und von der Jugendhilfe finanzierte Beratung. Schwangere und alleinerziehende Mütter, die in den Häusern ein neues Zuhause auf Zeit finden, sind in der Regel noch sehr jung. Sandra Dlugosch ist sich sicher: „Junge Frauen, die derzeit im Haus Monika und Haus Gertraud leben, wären wohnungslos, wenn sie nicht die Möglichkeit gehabt hätten, in eines der Mutter-Kind-Häuser zu ziehen.“
In den Häusern sollen Frauen einen Übergang ins stabile Wohnen finden, gegebenenfalls eine Ausbildung machen und auf eigenen Füßen stehen. Die jungen Mütter erhalten auf diesem oft beschwerlichen Weg Unterstützung von den Sozialpädagogen. Im Gegensatz zum Haus an der Verdistraße für Wohnungslose, wo es hauptsächlich darum geht, den Bedürftigen ein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen, können sich die Mitarbeiter in den Mutter-Kind-Häusern intensiver um die Frauen kümmern. Ihnen stehen dafür 3,5 bis 5,5 Stunden pro Woche und pro Mutter zur Verfügung. In den Gesprächen mit den Müttern wird vor allem das Kindeswohl im Auge behalten.
„Denkt an diese Menschen...“
Damit die Zahl der Wohnungslosen nicht noch weiter wächst, sondern sinkt, wünschen sich Simone Ortner und Sandra Dlugosch viele soziale Vermieter, bezahlbare, familienfreundliche Wohnungen, vor allem auch für alleinerziehende Mütter und Geringverdiener. Sandra Dlugosch fügt hinzu: "Es sollte außerdem weniger Stigmatisierung und Vorbehalte gegenüber anderen Familienformen, psychischen Erkrankungen etc. geben." Simone Ortner würde sich freuen, wenn mehr Menschen „über den Tellerrand schauen“: „Es gibt Arbeitsplätze, die nicht gut bezahlt werden wie Kinderpfleger, Krankenschwestern, Verkäufer“, so die Bereichsleiterin für Wohnungslosenhilfe. „Die Besserverdiener sollten sich das bewusst machen. Wenn diese Berufsgruppen keinen bezahlbaren Wohnraum in München finden, werden sie aus der Stadt wegziehen. Die Stadt muss den Wohnraummangel in den Griff bekommen.“ Die SkF-Mitarbeiterinnen rufen die Münchner zu mehr Solidarität auf: „Denkt an diese Menschen, auch wenn es euch gut geht!“
Haus Gertraud und Haus Monika für wohnungslose junge Mütter
Mutter-Kind-Haus Gertraud
Im Haus Gertraud in Gräfelfing können sechs Mütter mit bis zu acht Kindern untergebracht werden. Aufgenommen werden volljährige, schwangere Frauen und alleinerziehende Mütter mit ein oder zwei Kindern (0–6 Jahre). Sie bewohnen ein geräumiges WG-Zimmer und werden von Sozialpädagogen beraten und in vielen Lebensbereichen unterstützt. Das freistehende Haus hat einen großen Garten, zwei Gemeinschaftsküchen, zwei Bäder, zwei Toiletten und zwei Gruppenräume. Die Frauen kommen für Miete und Lebensunterhalt selbst auf (oder über Arbeitslosengeld II). Die Kosten für das Beratungsangebot übernimmt das Jugendamt.
Mutter-Kind-Haus Monika
Haus Monika in Pasing stellt volljährigen schwangeren oder alleinerziehenden Müttern mit Kindern (0–6 Jahre) mehr als 20 Appartements mit Garten zur Verfügung. Bevorzugt werden Frauen untergebracht, die eine Ausbildung machen, arbeiten oder es vorhaben. Die Frauen beziehen Ein- oder Zweizimmer-Appartements mit Küchenzeile und Bad. Sie erhalten Einzel- und sozialpädagogische Hilfe bei Fragen zur Erziehung und bei persönlichen, beruflichen und finanziellen Problemen. Eine Kinderkrippe befindet sich im Haus.
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