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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
Gefahr für die heimische Artenvielfalt
Waschbären: In bayerischer Wildnis längst daheim
In freier Wildbahn werden ihn bislang wohl die Wenigsten zu Gesicht bekommen haben, das bedeutet aber nicht, dass es keine Waschbären außerhalb von Zoos und Wildparks gibt. "Bayern ist fast lückenlos von Waschbären besiedelt", hieß es bereits im Jahr 2004 in der Zeitschrift LWF aktuell (LWF = Bayerische Landesanstalt für Jagd und Forstwirtschaft) zum Thema "Neue Arten in Bayern" (Ausgabe 45, Seite 16). Dieser Aussage kann Lydia Schübel vom Tierschutzverein München heute nicht zustimmen. " Uns ist nicht bekannt, dass Waschbären in Bayern fast lückenlos vorkommen würden. Im Gegenteil: Wir haben hier im Tierschutzverein München noch nie eine Meldung bekommen. Soweit mir bekannt ist, wandern die Tiere jetzt erst langsam vom Norden her nach Bayern ein. Vermehrte Meldungen gibt es jetzt erst in Würzburg."
Heimisch ist das Wildtier in Deutschland nicht. "Tatsächlich stammt er ursprünglich aus Nord- und Mittelamerika und wurde bereits in den 1920er Jahren wegen seines Fells nach Deutschland eingeführt", erklärt Schübel. Ob die deutsche Population auf Ausreißer aus den Pelzfarmen oder die zwei im Jahr 1934 ausgewilderten und in die Freiheit entlassenen Tiere von Forstmeister Berlepsch zurückgeht, kann heute kaum noch zurückverfolgt werden. Fest steht jedoch, dass die Kleinbären unglaublich anpassungsfähig sind, was sie in einigen Gebieten zu einer Plage werden lässt.
EU-Verordnung schützt heimische Arten
"Der Waschbär ist ein Neozoen (= nicht heimische, invasive Art) und ist damit nicht geschützt sondern eine potentielle Bedrohung für unsere heimische Natur. Gejagt werden darf er damit schon immer", erklärt Lydia Schübel. Bereits im Jahr 2014 gab es eine EU-Verordnung, welche die Verbreitung von Arten, die eigentlich von anderen Kontinenten stammen, beschränken sollte. Die Verordnung aus dem Jahr 2016 ging einen Schritt weiter; Waschbären wurden auf die Unionsliste der verbotenen Arten gesetzt. Damit fordert die EU aktiv die Tötung der Kleinbären. "In Bayern geschieht dies noch nicht, da noch an einem Gesetz gefeilt wird, das die Verordnung umsetzt“, so die Tierschützerin. "Das bedeutet zudem, dass nicht nur Haltung, Import, Verkauf und Zucht in Europa verboten sind, sondern auch die Pflege kranker oder verletzter Tiere."
Die EU begründet das mit einem Verlust an Artenvielfalt und wirtschaftlichen Verlusten infolge der Verbreitung fremder Arten." Das "Waschbär-Verbot" gelte nicht nur für Privatpersonen, Tierheime und Auffangstationen, sondern auch für Zoos. „Die Tierparks dürfen ihre Waschbären zwar behalten, müssen jedoch Sorge tragen, dass sie nicht ausbrechen oder sich fortpflanzen können. In Gefangenschaft gestorbene Kleinbären dürfen durch in der Wildnis gefangene ersetzt werden.“
Vier Waschbären in München
Früher habe das Münchner Tierheim verwaisten oder verletzten Waschbären aufnehmen können, heute sei dies nicht mehr möglich. Aktuell lehnt sich Dr. Markus Baur, der Leiter der Reptilienauffangstation München, gegen die EU-Verordnung auf. Er kümmert sich um vier mutterlose Waschbär-Babys, was ja laut Verordnung verboten ist.
"Woher die vier Babys stammen, wissen wir nicht", sagt Lydia Schübel. Aber über Facebook rief der Tierschutzverein München kürzlich zur Unterstützung der Reptilienauffang-Station auf. „Wer gerne eine Tierpatenschaft für die Kleinen übernehmen möchte oder generell Fragen zu den Waschbären hat, kann unter Tel. (089) 21805030 direkt bei der Reptilienauffang-Station anrufen.“
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