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Rubrik: Gesamt · Stadtteil: München
"Ein schlimmer Trend"
Nasenbären: Nichts für Privathaltung
Neugierig schaut sich der kleine Mann in seiner neuen Umgebung um, wirkt noch etwas scheu: "Bootsmann ist unser Neuzuwachs im Münchner Tierheim", erklärt Sprecherin Judith Brettmeister. "Der kleine Nasenbär ist 15 Monate alt und stammt leider aus schlechter Haltung." Ein Nasenbär als Haustier? Inzwischen in Deutschland gar nicht mehr so ungewöhnlich, denn die Kleinbären sind nicht meldepflichtig und man benötigt auch keinen Sachkundenachweis, um sie halten zu dürfen – sehr zum Leid des Tierschutzvereins München. "Aktuell entwickelt sich hier ein schlimmer Trend, ähnlich wie vor zehn Jahren mit Waschbären. Die Leute unterschätzen jedoch den immensen Haltungsaufwand von exotischen Säugetieren und informieren sich vor deren Anschaffung nicht richtig. Auch unser Bootsmann saß in einem viel zu kleinen Käfig – und das ohne Artgenossen, obwohl Nasenbären ausgeprägte Gruppentiere sind", ärgert sich Brettmeister.
Besonders anspruchsvoll
Über die artgerechte Haltung von Nasenbären klärt Stefan Heinrich, der für Bootsmanns Verpflegung zuständig ist, auf: "Vorweg gleich mal: Nasenbären sind keine Spaßtiere! Mit drei Jahren erlangen sie die Geschlechtsreife und spätestens dann sind sie dem Menschen gegenüber kaum noch zutraulich. Nicht kastrierte Männchen können sogar ausgesprochen aggressiv werden."
Ein weiterer Grund, weshalb der Tierschutzverein die private Haltung dieser Tiere missbilligt: Allein die Unterbringung verlangt einiges an Platz und Ausstattung ab. Die vorgeschriebene Mindestgröße eines Geheges werde von privaten Haltern nur in den seltensten Fällen eingehalten. "Bei zwei Tieren sind 30 Quadratmeter vorgeschrieben. Für jedes weitere Tier sind zwei weitere Quadratmeter einzuplanen. Neben dem Außengehege sollte zudem ein entsprechendes Innengehege vorhanden sein, das im Winter mindestens 15 Grad Celsius haben muss. Wie die meisten Exoten sind Nasenbären nämlich enorm kälteempfindlich", so Heinrich. Natürlich müssen die Gehege ausbruchssicher sein, denn Nasenbären graben nicht nur gerne, sondern sind auch noch exzellente Kletterer. "Entsprechend sollte die Käfigausstattung viele robuste Kletter-, Buddel-, Versteck- und Erkundungsmöglichkeiten in Form von Holzkisten, Baumstämmen, Seilen, Strickleitern, Hängematten, etc. bieten."
Allesfresser
Nasenbären sind Allesfresser: "Als Grundfutter kann man Eintagsküken, aber auch hochwertiges Hunde- oder Katzenfutter anbieten." Leber, Hähnchenschenkel, Hühnerköpfe und Futtermäuse würden ebenfalls gerne genommen. Ergänzt wird das Nahrungsangebot im Tierheim durch frisches Obst und Gemüse. "Zwischenmahlzeiten sind Mehlwürmer, Heuschrecken und andere Insekten, nach denen gerne mit der langen Schnauze im Boden gebuddelt wird."
Was neben den enormen Kosten (inklusive Urlaubsunterbringung und Tierarztkosten) generell noch wichtig ist: "Nasenbären sind tagaktiv, werden bis zu 14 Jahren alt und sind kaum erziehbar. Wir sind also sehr darauf bedacht, unseren Bootsmann in wirklich gute Hände zu geben", sagt Brettmeister. Stefan Heinrich fügt hinzu: "An Privathalter wird er nur vermittelt, wenn diese reichlich Erfahrung, eine artgerechte Unterbringung sowie eine passende Gruppe bieten können." Ernsthafte Interessenten können sich gerne bei Judith Brettmeister unter Tel. (089) 921000-21 melden.
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