Ein Mini-Dorf in der Stadt
40 Jahre nachbarschaftliches Miteinander
Nachbarschaftliches Miteinander scheint in der großstädtischen Gesellschaftsstruktur Münchens längst zum Mythos zu gehören. Vergangen sind die Zeiten, in denen man sich als Nachbarn in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlte, in der noch jeder jeden kennt und in der man sich umeinander kümmert. Doch es gibt sie noch! In den Wohnhäusern im Käthe-Bauer-Weg 2 – 6 leben rund 30 Wohnparteien miteinander, deren Wohnform an ein Mini-Dorf erinnert. Eine Hausgemeinschaft, die bereits seit 40 Jahren existiert und die bis heute ihre Zusammengehörigkeit pflegt. „Wir schauen aufeinander“, erklärt Brigitte Hegerich (66), die in einer der oberen Etagen der drei Wohnhäuser lebt. „Es ist viel mehr als nur Nachbarschaft. Wir leben hier fast wie in einer WG.“
„Heimat, Wärme, Liebe“
„40 Jahre gelebtes Leben mit allen Facetten: Geburt, Sterben, Krankheit. Alles ist da“, so beschreibt Monika Kolmann (68) das Leben im Käthe-Bauer-Weg 2 – 6. Vieles haben die Hausbewohner in den vergangenen 40 Jahren miteinander erlebt. Sie hielten zusammen als das Dach undicht wurde, die Fenster erneuert oder die Garagen renoviert wurden. Sie freuten sich gemeinsam, wenn ein Kind zur Welt kam, ebenso wie sie sich in schweren Zeiten beistanden. „Es gab auch viele Verluste hier im Haus. Todesfälle, Trennungen, Scheidungen“, erinnert sich Monika Kolmann. Alleine durchstehen musste diese aber keiner im Haus. Bis heute kümmert sich hier einer um den anderen. „Wenn man jemanden mal ein paar Tage nicht sieht, dann schaut man mal rüber“, erklärt Brigitte Hegerich.
„Heimat, Wärme, Liebe“, das macht für Brigitte Hegerich das Wohnen im Käthe-Bauer-Weg aus. Die Bewohner sind über die Jahre zusammengewachsen und knüpften wertvolle Freundschaften. Sie helfen einander, wann immer Not am Mann ist. Ob die angespannte Fahrt ins Krankenhaus oder die Betreuung der Oma, wenn man in den Urlaub fährt – die Nachbarn sind füreinander da. „Da fürchtet man sich nicht, wenn man alt wird“, meint Brigitte Hegerich. Im Käthe-Bauer-Weg menschelt es, wie man es sonst nur noch selten vorfindet. Und wenn auch nicht alles „Sahnehäubchen“ ist, wie Brigitte Hegerich schmunzelnd zugibt – schließlich bleiben auch hier typische Nachbarschaftsquerelen wie etwa Streitereien um zu laute Bewohner nicht aus – missen will die Hausgemeinschaft hier keiner mehr.
Jeder übernimmt eine Aufgabe
Begründet wurde diese außergewöhnlich gut funktionierende Hausgemeinschaft 1975. Als die Wohnungseigentümer im Käthe-Bauer-Weg ihr neues Zuhause kauften, stand alles noch im Rohbau. Architekt Willi Gröne entwarf die Mehrfamilienhäuser und ließ Raum zur Mitgestaltung. „Es gibt praktisch keine Wohnung, die so ist wie die andere. Die Gestaltung war damals sehr individuell“, erinnert sich Brigitte Hegerich.
Bis heute lebt über die Hälfte der Wohnungseigentümer, die 1975 hier kauften, noch selbst in den Wohnungen. Doch auch neue Eigentümer blieben, statt zu vermieten. „Dadurch, dass viele Eigentümer hier wohnen, hat man einen ganz anderen Bezug zum Haus“, findet Monika Kolmann (68). Auch verwalten die Eigentümer ihr Haus selbst, was zusätzlich Bindung sowohl zum Wohnhaus als auch zu den Nachbarn stiftet.
Jeder übernimmt eine Aufgabe. Monika Kolmann etwa ist zuständig für „Soziales“. Im Herbst legt sie vorausschauend Taschentücher aus, zur Weihnachtszeit empfangen Punsch und Plätzchen die Bewohner im Hausflur. Andere Nachbarn beteiligen sich als Verwalter, Beirat, Hausmeister oder aber als Mitglied im Festkomitee, das für die Organisation der gemeinsamen Feiern zuständig ist und eine tragende Rolle in der Hausgemeinschaft spielt. Denn gefeiert wird im Käthe-Bauer-Weg gerne. Jüngst beging die Hausgemeinschaft ihr 40. Jubiläum. Dafür stellten die Hausbewohner der Erdgeschosswohnungen ihre Gartenanteile zur Verfügung, so dass ein ausgiebiges Freiluftfest gefeiert werden konnte. Als nächstes steht das „Pfirsichfest“ an, bei dem Gemeinschaft gefeiert und gelebt wird.
Copyright: Wochenanzeiger Medien GmbH