"Psychische Erkrankungen bei Kindern werden häufig übersehen"
Fachtagung im kbo-Kinderzentrum: Hier wird Familien geholfen
Das kbo-Kinderzentrum München hat sich mit dem Thema "Psychische Gesundheit im Säuglings- und Kleinkindalter - Präventive Ansätze" beschäftigt. Das Kinderzentrum leistet auf diesem Gebiet seit Jahren Pionierarbeit, unter anderem mit einer Schreibaby-Ambulanz und einer zugehörigen Sprechstunde für Säuglinge mit Schlaf-, Fütter-, oder Schreiproblemen.
Die Tagung wurde durch das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege im Rahmen des Jahreschwerpunkts "Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen" unterstützt. Staatsministerin und Schirmherrin Melanie Huml meinte: "Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen werden häufig übersehen oder nicht ernst genommen. Bleiben sie unbehandelt, kann das schwerwiegende Folgen für das Kind haben. Wir möchten daher durch gezielte Aufklärung das Thema psychische Erkrankungen aus der Tabuzone holen."
Die Schreibaby-Ambulanz hilft Familien
Studien haben belegt, dass sich frühkindliche Regulationsstörungen wie Schlaf-, Fütter-, oder Schreiprobleme im späteren Leben auswirken; im jugendlichen Alter können daraus psychische Schwierigkeiten resultieren. Bereits im Säuglingsalter bringen dauerndes Schreien oder Nahrungsverweigerung die Eltern an die Grenze der Belastbarkeit und stellen mitunter zusätzlich ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für betroffene Kinder dar.
Die Münchner Sprechstunde für Schreibabys ist in solchen Fällen erste Anlaufstelle: Ein erfahrenes Team aus Kinderärzten und Psychologen sucht nach Ursachen für Regulationsstörungen und nach Lösungen für Eltern und Kind; fundierte Diagnostik und Beratung helfen Müttern und Vätern, wieder Vorfreude auf ihr Baby zu empfinden.
Nach nur vier Terminen wird oft alles besser
Dr. Margret Ziegler leitet die Abteilung: "Die Schreibaby-Ambulanz ist sowohl Forschungs- als auch Beratungsstelle. Die Ursachen für frühkindliche Regulationsstörungen sind vielfältig, sie müssen weiter aufgeklärt werden." In der Beratung sei es wichtig, gemeinsam Strategien zu entwickeln und Veränderungen herbeizuführen; oft helfe schon ein fester Tagesrhythmus die Bedürfnisse des Babys besser zu befriedigen und das Schreien zu beenden. "Meist sind maximal vier Termine in der Ambulanz ausreichend. Wenn die Eltern einen Rhythmus gefunden haben, beruhigt sich häufig auch das Baby", bestätigt Ziegler.
Leidenszeiten verkürzen
Das Thema psychische Gesundheit gewinnt zunehmend an Bedeutung, auch bei den zentralen Fragen der Kinderheilkunde und Sozialpädiatrie: Vorsorge und Früherkennung. Mit der Fachtagung reagiert das Kinderzentrum auf diese Entwicklung. "Der Mensch wird unreif geboren, das Gehirn eines Babys steht extrem stark unter dem Einfluss seiner Umgebung; soziale Interaktionen haben in dieser intensiven Lebensphase große Relevanz," erklärt Prof. Volker Mall, Ärztlicher Direktor der Einrichtung. Deswegen seien frühstmögliche Prävention und ganzheitliche Stabilisierung der betroffenen Familien besonders wichtig, um Leidenszeiten zu verkürzen und Heilungschancen zu verbessern.
Aus Problemen können Chancen werden
In vielen Fällen gehen aus überstandenen frühkindlichen Verhaltensstörungen sogar Chancen für eine gestärkte Eltern-Kind-Beziehung hervor; eine sorgfältige Diagnostik und eine verbesserte Aufmerksamkeit für das Thema sind daher wichtig, um dauerhaft zu einer Entstigmatisierung von Kindern mit psychischen Erkrankungen und deren Familien - und damit zu einer größeren Offenheit für entsprechende Beratung - beizutragen.
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