Auf der Suche nach neuen Therapien
"Centrum für Schlaganfall- und Demenzforschung" eröffnet
Die seit über 20 Jahren intensivierte Alzheimer-Forschung steht vor einem möglicherweise entscheidenden Meilenstein. "Erst vor wenigen Wochen wurden Ergebnisse einer Impfstudie vorgestellt, bei der Antikörper die giftigen Eiweißablagerungen, die ß-Amyloid-Plaques, im Gehirn binden und dafür sorgen, dass sie keinen Schaden mehr anrichten", sagt Prof. Christian Haass von der LMU. Der Experte für Stoffwechselbiochemie sieht Anlass zur Hoffnung: Die Gedächtnisleistung, einer der Parameter für eine erfolgreiche Behandlung, konnte über einen Zeitraum von einem Jahr stabilisiert werden. Das schädliche Eiweiß zerstörte demnach keine weiteren Nervenzellen im Gehirn. Dieser Antikörper müsse nun in weiteren klinischen Studien getestet werden.
Ursachen besser verstehen
Für solche Forschungen zu Alzheimer, Parkinson und Schlaganfall steht nun das "Centrum für Schlaganfall- und Demenzforschung" (CSD) an der Feodor-Lynen-Straße bereit. Der Bau (der Freistaat stellte dafür 57,5 Millionen Euro zur Verfügung) war im Herbst 2011 begonnen worden. Das jetzt eröffnet "Centrum" ist ein Modell für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Forschungsorganisationen mit dem Ziel, Ursachen und Risikofaktoren von neurodegenerativen und zerebrovaskulären Erkrankungen besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.
Modell der Zusammenarbeit
Organisatorisch teilen sich das Gebäude das Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am Klinikum der Universität München und das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sowie der Lehrstuhl für Stoffwechselbiochemie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Forschern der LMU, der Technischen Universität München (TUM) und der Helmholtz-Gemeinschaft bieten sich nun auf dem "Life-Science-Campus" Großhadern / Martinsried beste Voraussetzungen, in München ein international anerkanntes Zentrum zur Erforschung und Behandlung von Erkrankungen wie Schlaganfall, Morbus Alzheimer und Parkinson zu schaffen.
Patientenzahlen werden deutlich steigen
Gerade weil die demographische Entwicklung darauf hinweist, dass die Patientenzahlen deutlich zunehmen werden – laut Hochrechnungen sind 1,5 Millionen Schlaganfälle in Europa im Jahr 2025 zu erwarten und weltweit rund 80 Millionen Demenzkranke in 2050 – ist es wichtig, Kompetenzzentren zu etablieren, die sich mit diesen Krankheitsbildern und deren Ausprägungen beschäftigen. Neben den Geldern des Freistaats Bayern für den Bau des CSD trug auch die private Initiative des polnischen Geschäftsmannes und Philanthropen Zygmunt Solorz-Zak dazu bei, das neue Forschungszentrum zu gründen.
Ambulanz für Patienten
Für Patienten wurde im CSD eine Ambulanz mit Tagesklinik eingerichtet. Dort ist neben einer umfassenden Diagnostik und medizinischen Versorgung durch Ärzte und andere Spezialisten auch ein direkter Austausch mit klinischen Forschern möglich. Vielversprechende Behandlungskonzepte können Betroffenen im Rahmen klinischer Studien frühzeitig zugänglich gemacht werden. Zugleich findet eine interdisziplinäre Versorgung auf Grundlage neuester Therapien statt. Neben der Vorsorge bietet die Ambulanz auch eine Nachsorge und langfristige medizinische Betreuung an. Ziel ist dabei neben der konsequenten Umsetzung etablierter Therapien der Gewinn von Erkenntnissen über die Wirksamkeit von neuen Behandlungsmaßnahmen. Mit eingebunden werden dabei die in der Regelversorgung tätigen niedergelassenen Ärzte.
Partner im Forschungsverbund
Sowohl für die Grundlagenforscher wie auch für die Kliniker ist die unmittelbare Nähe und Zusammenarbeit zwischen CSD und dem Klinikum der Universität München (LMU) sowie dem Klinikum rechts der Isar (TUM) ein enormer Vorteil. So können etwa Grundlagenforscher die am Campus Großhadern angesiedelte Expertise der Nuklearmediziner und der Radiopharmakologen nutzen, um bei der Erforschung von Abläufen im Gehirn von Mäusen mittels moderner Bildgebungsverfahren neurodegenerative Veränderungen zu beobachten und neue Therapieansätze zu testen. Dabei werden spezifische radioaktive Marker verwendet, die an Zellstrukturen im Gehirn andocken und im Positronen-Emissions-Tomographen (PET) sichtbar gemacht werden können.
Ursachenforschung bei Parkinson
Auch die Erforschung der Parkinson-Syndrome, der zweitgrößten Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, profitiert stark von der engen Zusammenarbeit mit den klinischen Partnern. Die Parkinson-Syndrome führen zu einer fortschreitenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Am DZNE werden wichtige Beiträge zur Parkinson-Ursachenforschung erbracht. Das Zusammenwirken von Risikofaktoren in den Genen und in der Umwelt sowie die Eiweißstoffe, die solche Interaktionen vermitteln, stehen im Zentrum des Interesses. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Zellbiologie und Ultrastruktur von degenerierenden Nervenzellen, da anscheinend bei der Parkinson-Erkrankung die Schädigung der energiebildenden Organellen der Nervenzellen eine zentrale Rolle spielt. Auf der Basis dieser Erkenntnisse stellen die Wissenschaftler neue Zellkulturmodelle der Erkrankungen her. Damit entwickeln sie neue Therapieansätze, deren Nutzen dann bei Patienten erprobt werden kann.
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