"Die Miete brennt uns auf den Nägeln!"
Landtagskandidaten stellen sich den Fragen der Wähler
An die 1.500 Mieter leben in den Wohnungen der Bayerischen Versorgungskammer am Haderner Stern. Sie alle erwarten schlechte Nachrichten: "Unser Mieten werden heuer sicher erhöht", so Ingrid Appel (Mieterinitiative Haderner Stern), "das brennt uns auf den Nägeln!" Insbesondere ältere Mieter stehen vor existentiellen Sorgen: "Wir können uns München nicht mehr leisten, viele gehen ins Heim oder ziehen aufs Land", so Appel, "es kann doch nicht sein, dass wir unsere Heimat verlassen müssen, weil die Mieten so steigen!"
Vier Kandidaten aus einem Stimmkreis
Was die vier Landtagskandidaten aus dem Stimmkreis 101 (dazu gehören Fürstenried West, Forstenried West, Hadern, Sendling-Westpark, Westend, Ludwigsvorstadt) zu den steigenden Mieten sagen, konnten die Bürger im Mehlfelds hören. Zusammen mit der Mieterinitiative Haderner Stern hatte der VdK Hadern-Neuried Georg Eisenreich (CSU), Andreas Lotte (SPD), Daniel Föst (FDP) und Florian Kraus (Grüne) zu einer Diskussionsrunde eingeladen.
"Kosten anders aufteilen"
Für Stadtrat Andreas Lotte (wohnungspolitischer Sprecher der SPD im Stadtrat) To-Do-Liste steht die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ganz oben. Er schlägt vor, die Kosten bei Modernisierungen zu dritteln, also auf Mieter, Eigentümer und Staat aufzuteilen. Weil die Stromkosten auch auf die Mietkosten durchschlagen, warb er für eine dezentrale Energieversorgung.
"Standpunkt geändert"
MdL Georg Eisenreich (CSU) wies auf die unterschiedliche Entwicklung der Mieten in Bayern hin, denn auf dem Land sei die Lage ganz anders als in einem Ballungsraum wie München. Hier habe die CSU ihren Standpunkt verändert: "Wir müssen an das Umwandlungsverbot rangehen", so die neue Devise für die Ballungsräume. "Wichtig ist auch, das gebaut wird, um ein Angebot zu schaffen", so Eisenreich. "Da muss in München mehr passieren!"
"Bauen, was das Zeug hält!"
Ähnlich argumentiert Bezirksrat Daniel Föst (FDP): 80 Prozent der bayerischen Mietmärkte haben kein Problem - München schon. Da helfe nur "bauen, bauen, bauen!" so Föst: "Wir müssen bauen, was das Zeug hält! Wir müssen nachverdichten! Wir müssen neue Viertel dichter bauen!" Viele Investoren würden gerne mehr bauen, scheiterten aber an Bürokratie und Vorgaben. Alle Wünsche erfüllen könne niemand, so Föst, und forderte Mut zu höherer Bebauung. Um den Bedarf zu decken, brauche München jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen. Rot-Grün habe sich 7.000 zum Ziel gesetzt, aber schaffe nur 5.000. "Ich habe auch gerade eine Mieterhöhung bekommen und bin darüber nicht glücklich", meinte Föst. "Nur über den Wohnungsbau können wir den Mietmarkt in den Griff bekommen."
Mietspiegel verzerrt
Ingrid Appel wies auf die Mängel des Mietspiegels hin (es werden nur Mieten berücksichtigt, die in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert worden sind) und forderte, in die Berechnungen der Vergleichsmieten auch die länger bestehenden Mieten einzubeziehen. "Das würde uns helfen", meinte sie.
Ideen, Ziele, Prioritäten
Alle vier Kandidaten gaben zudem einen Überblick über ihre Ideen und Ziele, die nicht die Mieten betreffen.
Bildung als Schlüssel
Bildung und Kinderbetreuung sind für Georg Eisenreich besonders wichtig. Er ist bildungspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion (und erwartet im August selbst sein erstes Kind). Auch weil die Kluft zwischen Arm und Reich größer werde, müsse man über die Bildung für Chancengerechtigkeit sorgen und z.B. die von vielen Eltern gewünschte Ganztagsbetreuung ausbauen und mit Förderkursen den Kindern früh Deutsch beibringen, ehe sie in die Schule kommen (hier haben inzwischen auch deutsche Kinder Förderbedarf). Beim Ausbau der Ganztagsangebote helfe die Stadt nicht genug mit, kritisierte Eisenreich mit Verweis auf fehlende Räume und marode Münchner Schulen.
Bayern sieht er gut für die Zukunft gerüstet, denn es habe europaweit den solidesten Haushalt und führe als erstes Bundesland Schulden zurück. Schulden führen zum Verlust der Unabhängigkeit, warnte er mit Blick auf Staaten wie Griechenland. "Wir wollen als Bayern stark und unabhängig bleiben und nicht von Banken abhängig sein", sagte er.
Ansatz für Ungerechtigkeiten
"Bayern steht nicht schlecht da, da sind wir uns alle einig", meinte Andreas Lotte, allerdings sieht der 39-Jährige Ansätze für Ungerechtigkeiten, etwa bei den Löhnen. "Es kann nicht sein, dass wir Löhne deutlich unter sieben oder sechs Euro in einem wohlhabenden Land haben!" Solide Finanzen hält er wie Eisenreich für wichtig - aber auch die Frage, welchen Preis man zahlen wolle, um dieses Ziel zu erreichen. Lotte wandte sich gegen die Privatisierung kommunaler Güter für kurzfristige Gewinne: "Was München hat, soll in kommunaler Hand bleiben!" Viele Bereiche seien ohnehin beim Staat gut aufgehoben; das gelte auch für den Bereich Wohnen: "Hier muss der Staat stärker eingreifen", forderte Lotte. Die Halbierung der Wohnungsbauförderung im Freistaat in den Jahren 2001 bis 2011 sei ein falsches Signal. "Wir wollen das ändern!" so Lotte.
Infrastruktur ausbauen
Daniel Föst gab der bayerischen Politik gute Noten. Schulden habe man abgebaut, viel in Bildung investiert, hohe Beschäftigungszahlen erreicht. "Dieser Weg geht nur mit der CSU", so Föst, "und nur mit der FDP als Korrektiv und treibende Kraft." Nun gelte es, alle Haushalte zu konsolidieren. Wie Lotte sprach er sich gegen die Privatisierung des Wassermarktes aus: "Die FDP war nie dafür!" Der Staat habe indes in anderen Bereichen oft genug bewiesen, dass er nicht der bessere Unternehmer ist. Föst wies auf die Bedeutung des industriellen Sockels hin: "Er ist die Basis, dass es uns gut geht." Daher müsse man die Infrastruktur ausbauen. "Wir können es uns nicht leisten, dass Industrie abwandert!" Sich für sie einzusetzen sei ebenso wichtig wie der Einsatz für sozial Benachteiligte.
Für Florian Kraus ist die Energiewende vorrangig. Sie müsse "wirtschaftlich erträglich gestaltet" werden.
Weitere Gespräche?
"Solche Veranstaltungen finden zu wenige statt", meinte Daniel Föst. Ingrid Appel und Volker Wettmann möchten das ändern: Sie wollen vor der Kommunalwahl 2014 wieder die örtlichen Kandidaten zum Gespräch bitten und luden zugleich die Landtagskandidaten ein, bereits in einem Jahr - und nicht erst vor der nächsten Wahl - zu einer weiteren Runde zu kommen.
Wie sinnvoll ist der Mietspiegel?
Andreas Lotte (SPD): "Wir haben eine klare Position: Der Mietspiegel muss den gesamten Wohnungsbestand berücksichtigen, nur dann kommen reale Mieten dabei heraus."
Daniel Föst (FDP): "Der Mietspiegel ist ein problematisches Instrument, er verzerrt das Bild. Wir müssen da ran, eine Reform ist nötig."
Georg Eisenreich (CSU): "Ich kann mich dem anschließen. So wie der Mietspiegel jetzt ist, ist er ein Mieterhöhungsspiegel. Das war einmal anders."
Florian Kraus (Grüne): "Uns unterscheidet da nicht viel von den anderen Parteien."
Was tun wir für Ältere?
Georg Eisenreich (CSU): "Damit die Menschen so lange wie möglich zuhause leben können, müssen die Hilfen für daheim und ambulante Angebote Priorität haben. Wir haben zu wenig Pfleger und Erzieher. Alle müssen zusammenhelfen, damit die Sozialberufe besser bezahlt werden, sonst kommen wir um den Pflegenotstand nicht herum."
Andreas Lotte (SPD): "Das Problem wird dramatisch. Wir haben in München aber gute Beratungsangebote. Wir brauchen für Senioren rasch mehr barrierearme Lösungen."
Daniel Föst (FDP): "Das Pflegesystem blutet finanziell aus. Die Löhne reichen nicht, um qualifiziertes Personal zu bekommen. Es muss mehr Geld in die Pflege fließen; anders geht es nicht."
Florian Kraus (Grüne): "Wir müssen die Pflegezeit fördern (wie die Elternzeit), um den Engpässen zu begegnen."
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